FE ist ein vieldeutiger Fachausdruck aus dem Bereich des Finanzmanagements. In seiner allgemeinsten Deutung bezieht sich der Begriff auf die konstruktive Lösung von Finanzproblemen. Der Hinweis auf die Ingenieurwissenschaften («Engineering») soll zum Ausdruck bringen, dass die Lösung nach konstruktivistischen Prinzipien zusammengebaut wird. Unter Bezugnahme auf die methodische Arbeitsweise des FE wird häufig auf den Building Block nsatz (engl. building block approach) verwiesen, was sinngemäß noch etwas mehr impliziert als nur den konstruktivistischen Ansatz. Demnach sucht das FE innovative Lösungen (Innovation) unter Verwendung bereits bekannter, traditioneller Elementarbausteine. Beispiel: So stellt eine Aktienanleihe ein innovatives FE Produkt eine sog. Finanzinnovation dar, das aus drei traditionellen Bausteinen (building blocks) zusammengebaut worden ist, nämlich aus der Anleihe (Schuldverschreibung) als Basisprodukt, aus der Aktie als Basisobjekt (Underlying) und der Verkaufsoption (Put) als derivativem Anrecht (Derivate, Option). Neu sind hier nicht die Bausteine; neu ist vielmehr deren innovative, d. h. neuartige und zugleich zielführende Kombination. Diese sehr enge, aber weit verbreitete Interpretation des FE Begriffes sieht FE schlicht als Schaffung innovativer Finanzprodukte. Hierbei wird, in nicht ganz überzeugender Weise, an die klassische Lehre vom technischen Fortschritt, wie sie insbesondere von J. A. Schumpeter propagiert wurde, angeknüpft. Nach Schumpeter hat der technische Fortschritt aber drei Gesichter, nämlich erstens «neue Produkte», zweitens «neue Verfahren» und drittens «Erschließung neuer Märkte». Zumindest die letzten beiden Komponenten des Fortschrittsbegriffs sind in der rein produktorientierten Interpretation des FE Begriffes nicht enthalten. Eine Spielart hiervon engt den FE Begriff sogar noch weiter ein und versteht unter FE nur die Schaffung derivativer Finanzprodukte (Derivate). Hiermit sind insbesondere Optionen, Futures (Termingeschäft) und Swaps gemeint. Interpretiert man FE nun etwas breiter im Sinne eines finanztechnologischen Fortschritts, so hat man unmittelbar das Pendant zum Schumpeter’schen Fortschrittsbegriff hergestellt. Diese Sicht hat einiges für sich, denn die Lösung von Finanzproblemen ist gemeinhin nicht nur auf die Schaffung innovativer Produkte beschränkt. Auch die Schaffung innovativer Verfahren des Finanzmanagements gehört dazu. Hier wäre zu denken an Zahlungs , Abwicklungs und Clearingsysteme unter Einsatz hochmoderner Informations und Kommunikationstechnologien (IT gestützte Verfahren). Vollcomputerisierte Börsen, die das traditionelle Börsenparkett und den dort stattfindenden Parketthandel weitgehend verdrängt haben, sind ein gutes Beispiel dafür, aber auch Margining ysteme der Terminbörsen usw. Die dritte Komponente des Schumpeter’sehen Fortschrittsbegriffs, die «Erschließung neuer Märkte», passt nicht in den finanztechnologischen Kontext. Man könnte stattdessen aber an innovative Strategien und dergleichen denken. Auch sie sind essenzieller Bestandteil der Lösung von Finanzproblemen und müssten daher konsequenterweise von einem umfassenden FE Begriff mit abgedeckt werden. Hier kommen vielfältige strategische Gestaltungsvarianten des Finanzmanagements in Betracht, angefangen mit der strategischen Konzipierung von Großprojekten (Projekt Finanzierung) über die Entwicklung leistungsfähiger FIandelsregeln (engl. trading rules) und Absicherungsstrategien (Hedging trategien 1 Hedging], Portfolio Insurance) für das Portfolio Management bis hin zur Konzipierung optimierter Investitionsund Finanzplanungssysteme (Finanzplanung) für das betriebliche Investitions und Finanzmanagement. Im Zuge der insbesondere vom . Marketing angestoßenen Diskussion um Kundenorientierung hat sich neuerdings eine auf den ersten Blick deutlich divergierende Interpretation des FE Begriffes entwickelt, die FE schlicht als kundenorientiertes Anbieterverhalten definiert, freilich beschränkt auf den Finanzbereich. Demnach kommt FE zum Ausdruck in individueller Ausgestaltung finanzieller Lösungen. Nicht das (Finanz )Produkt steht im Vordergrund der Marketinganstrengungen der Finanzdienstleister, sondern der Kunde, der i. d. R. überdies ohnehin nicht nur an einzelnen Produkten, sondern an «stimmigen» Paketlösungen interessiert ist. Diese umfassen zumeist mehrere gleichzeitig oder in zeitlicher Folge zu verabreichende Produkte, und darüber hinaus mit dem Kunden abgestimmte operative und strategische Verhaltensweisen beim Umgang mit Finanzproblemen aller Art. Man denke etwa an die kundenindividuelle Ausgestaltung von Altersvorsorgemaßnahmen, die Ausarbeitung eines kundenoptimierten Finanzierungsplans für ein privates Bauvorhaben, den Aufbau und das Management eines den Kundenwünschen entsprechenden Aktien Depots (Depot), die Abdeckung oder zumindest Begrenzung finanzieller Risiken (Risiko) usw. Zentrales Element des FE in diesem Sinne ist die Erarbeitung «maßgeschneiderter» Lösungen für den Kunden. Insofern reicht dieser FE Begriff auch deutlich über den Allfinanz Begriff hinaus, da dieser die anbieterseitige Nutzung von Synergieeffekten und Cross elling Potenzialen, nicht aber primär das Kundeninteresse, im Auge hat. Inzwischen wird bereits eine Weiterentwicklung oder gar Ablösung des kundenorientierten FE Begriffes insoweit sichtbar, als sich der Kunde, bei verstärktem Einsatz kundenfreundlich implementierter Informations und Kommunikationstechnologien im Rahmen des Customer Relationship Management (CRM), zunehmend emanzipiert. Der mündige Kunde wird dann möglicherweise vom Anbieter nur noch eine zugleich sachgerechte wie auch auf spezielle Kundenbedürfnisse Rücksicht nehmende Produkt und Dienstleistungspalette abfordern, die er, im Bedarfsfalle, unter Inanspruchnahme speziell abgerufener Beratungsleistungen dann weitgehend selbständig konfektionieren kann. FE wäre dann nur noch auf ein behutsames, unaufdringliches Coaching des Kunden bei der weitgehend selbständigen Lösung seiner Finanzprobleme beschränkt.
Der Begriff des Financial Engineering kann zusammenfassend als Entwurf, Entwicklung und Implementierung von innovativen Finanzinstrumenten und -prozessen sowie als Realisierung kreativer, maßgeschneiderter Lösungen für Kapitalanleger und -nachfrager gesehen werden (vgl. Schneider, 2000, S. 1082).
Diese weit gefasste Definition beinhaltet die verschiedenen Auslegungen des Begriffs Financial Engineering. So findet er zum einen Verwendung in Zusammenhang mit internationalen Auftragsfinanzierun-gen. Um der Komplexität der jeweiligen Vorhaben gerecht zu werden, entwickeln Banken im Auftrag des Exporteurs oder Bestellers individuelle, über die Standardinstramente hinausgehende (»strukturierte«) Fi-nanzierungskonzepte (vgl. Isselstein/Schaum, 1998, S. 190). Hierbei handelt es sich insbesondere um Projektfinanzierungen, Misch- und Kofinanzierungen, Leasing und Komvensationsgeschäfte (vgl. Backhaus, 1999, S. 534ff.), aber auch um inves-tive Engagements (Direktinvestitionen; Joint Venture) des Exporteurs im Ausland.
Eine andere Verwendung erfährt der Begriff des Financial Engineering insofern, als dass es um den Einsatz von innovativen Finanzierungs- und Risikoabsicherungsinstrumenten geht. In diesem Sinne werden Finanztitel zunächst in ihre Grundelemente, z.B. Zins, Tilgung, Währung, Fristigkeit, Sicherheit, Zusatzrechte, aufgespalten (»Stripping«), um sie (einzeln) besser bewerten zu können. Darauf basierend, werden beim »Replicating« neue, optimale Finanztitel geschaffen, in dem die Module gemäß des jeweiligen Finanzierungsfalls optimal kombiniert werden (vgl. Perridon/ Steiner, 1999, S. 24).
(als Finanzinnovation). Parallel zum Begriff “Finanzinnovation” konnte sich seit einiger Zeit der Begriff des Financial Engineering etablieren, der wiederum nicht nur sehr vielschichtig ist, sondern auch mit unterschiedlicher Breite verwendet wird. So verstehen viele Autoren unter Financial Engineering die Konzipierung und Umsetzung innovativer Finanzprodukte, andere wiederum rechnen innovative Finanzverfahren dazu. Auch ein Begriff des Financial Engineering, der dem Klassifikationsschema der Finanzinnovationen entspricht, findet Verwendung. Insofern stellen Finanzinnovationen und Financial Engineering synonyme Begriffe dar. Weitere Definitionen des Begriffs „Financial Engineering” siehe Finanzinnovationen, Kapitel
6. (insbes. im Rahmen der Finanzmathematik). Financial Engineering ist die Analyse bzw. Synthese komplexer Finanzpositionen mit einfachen Handelsprodukten. Ziel der Analyse ist
(1) den Wert der Gesamtposition als Summe einfacher Einzelwerte zu berechnen und
(2) das gesamte Risikopotenzial in die einzelnen Risikofaktoren zu zerlegen (Finanzmathematik). Ziel der Synthese ist die Konstruktion komplexer Positionen, die bei Eintreten der erwarteten Marktentwicklungen zum Erfolg führen.
die Planung und Ausarbeitung von maßgeschneiderten Finanzierungskonzepten für Aufträge durch Erschließung und Kombination aller zweckadäquaten Finanzierungsalternativen als Grundvoraussetzung für die Durchführung komplexer Anlagengeschäfte. Die Erstellungdieser Finanzierungskonzepte muss dabei unter Berücksichtigung der engen Beziehungen zwischen finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Entscheidungen erfolgen (Dienstleistungen). Der Stellenwert des Financial Engineering für den Marketingerfolg im Anlagengeschäft wird besonders sichtbar in den Fällen, in denen bereits in der Ausschreibung eines Projektes Hinweise enthalten sind, nach denen Anbieter den Vorzug erhalten, die eine mittel- oder langfristige Finanzierung anbieten oder vermitteln können. Schließlich ist in einzelnen Fällen die Abgabe einer Finanzierungsofferte sogar Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Angebotes, d.h. ihr Fehlen führt zum Ausschluß des Anbieters aus dem Bieterkreis. Verlangen nach Zahlungszielen von bis zu 10 Jahren nach Auftragserfüllung sowie nach zusätzlicher Finanzierung von lokalen Infrastrukturmaßnahmen („lokale Kosten“) im Kundenland in den einzelnen Branchen sind keine Ausnahme. Diese Voraussetzungen machen es notwendig, aus einer Vielzahl von Quellen und unter Heranziehung einer Vielzahl von Beteiligten ein komplexes Finanzierungspaket zu „konstruieren“. Literatur; Backhaus, K.; Siepert, H.-M. (Hrsg.), Auftragsfinanzierung im industriellen Anlagengeschäft, Stuttgart 1987.
Begriff aus dem Englischen. Dienstleistung einer luxemburgischen Bank. In der Regel wird diese durch eine eigene Bankabteilung ausgeübt hinsichtlich der Beratung von Bankkunden bei der Gründung von Holdinggesellschaften, Offshore-Gesellschaften oder Stiftungen. Schwerpunkt ist dabei die legale Ausnutzung von Steuergefällen zwischen Luxemburg und/oder anderen ausländischen Staaten. Die Bankabteilungen werden meistens durch einen Juristen und einen Fiskalisten geleitet.
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