als Teilgebiet der —Marketingpsychologie, die (empirische) Wissenschaft von den erlebnis- und verhaltensmässigen Reaktionen der Nachfrager auf die Werbung der Anbieter von kommerziellen und nicht-kommerziellen Produkten, Dienstleistungen oder Ideen (—Marktpsychologie). Literatur: von Rosenstiel, L./Neumann, P., Einführung in die Markt- und Werbepsychologie, Darmstadt 1991.
eng mit der Konsumentenforschung, der Kommunikationsforschung und der verhaltenswissenschaftlichen Marketingtheorie verknüpfte Disziplin, die die Bedingungen und Konsequenzen von Kommunikationsmaßnahmen sowie deren Elemente und Kombinationen auf das Verhalten und Erleben von Menschen erforscht und Informationen darüber bereitstellt. Sie übernimmt die Aufgabe, die damit verbundenen Gesetzmäßigkeiten zu untersuchen, um eine Vorhersage von Erleben und Verhalten zu ermöglichen. Die Werbepsychologie ist ein vorwiegend empirisch ausgerichtetes Teilgebiet der Psychologie. Es können vier sich gegenseitig ergänzende Bereiche psychologischen Handelns unterschieden werden: Beobachten und Beschreiben, Erklären, Vorhersagen, Verändern des Verhaltens von Individuen und/oder Gruppen. Beobachten und Beschreiben erfolgt in der Weise, dass (beobachtbares) Verhalten in einer bestimmten Situation schriftlich oder mit technischen Mitteln (z.B. Blickregistrierung) aufgezeichnet und im Sinne einer Berichterstattung ausgewertet wird. Ein Beispiel ist etwa die Aufzeichnung des Blickverhaltens beim Lesen einer Zeitschrift. Die Erklärung von Verhaltensweisen steht im Vordergrund, wenn man sich über die Gründe des Verhaltens Gedanken macht. Man könnte z. B. fragen, warum beim Durchblättern einer Zeitschrift fast immer zuerst die Bilder und dann erst der Text betrachtet werden (Bildkommunikation). Auf der Basis von erforschten und als weitgehend gesichert geltenden Gesetzmäßigkeiten können für vergleichbare situative Bedingungen Verhaltensvorhersagen gemacht werden. Man könnte z.B. prognostizieren, dass auf einer neu zu gestaltenden Anzeige der erste Blick der Betrachter mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Produktabbildung fallen wird und dann erst der Text gelesen wird. Mit der Veränderung des Verhaltens von Individuen und/oder Gruppen wird das Hauptanliegen der Werbung angesprochen. Unter Kombination der Erkenntnisse aus den beobachtend-beschreibenden, erklärenden und prognostizierenden Funktionsbereichen sind in der Realität in Verbindung mit Werbemaßnahmen verhaltensverändernde Prozesse zu erwarten, d. h. es finden z. B. Einstellungsänderungen, Veränderungen von Meinungen und Änderungen des Verhaltens statt. Historische Entwicklung: 1903 schrieb Scott „TheTheoryof Ad- vertising“. Dieses Buch gilt als das erste Buch über Werbepsychologie. Im deutschen Sprachraum kann man die Entstehung der Werbepsychologie auf das Jahr 1912 datieren. In diesem Jahr erschien „Psychologie und Wirtschaftsleben“ von Münsterberg. In den Anfängen ging es in erster Linie um Untersuchungen äußerer Gestaltungsbedingungen (Format und Plazierung von Anzeigen, Schaufenstergestaltung usw.). Mit Beginn des zweiten Weltkrieges verlor die Werbepsychologie in Deutschland an Bedeutung. Nach 1948 bemühten sich die deutschen Psychologen um die in der Zwischenzeit in den USA weiterentwickelten Erkenntnisse der Disziplin und versuchten diese auf die deutschen Verhältnisse zu übertragen. Die amerikanische Forschung hat ihre Vormachtstellung bis heute allerdings nicht verloren. In den letzten 10 Jahren erschienen keine wesentlichen, grundlegenden Beiträge zur Werbepsychologie. Es waren überwiegend Artikel, die sich mit kulturspezifischen Teilproblemen beschäftigen, z.B. Werbung für und mit Farbigen. Mögliche Ursache ist die in den 60 er Jahren einsetzende Konsum- erismusbewegung, die nachfolgend die Konsumentenforschung hervorgebracht hat. Vor diesem Hintergrund fand eine Verlagerung wissenschaftlicher Kapazitäten statt. Verstärkt wurde diese Entwicklung vermutlich noch durch eine ideologische Problematisierung des Marketinginstruments Werbung (Werbekritik). Insofern könnte man sagen, dass die Werbepsychologie zu Beginn der 90 er Jahre mit Sicherheit keine aktuelle Forschungsrichtung darstellt. Dies wird sich aber möglicherweise vor dem Hintergrund gesättigter Märkte und stark wachsender Werbebudgets wieder ändern. Fragenkreise der Werbepsychologie: Die Fragestellungen der Werbepsychologie reichen von der Identifizierung der für die Werbung relevanten Verhaltensebenen und Kategorien (z. B. Präferenzen, Einstellungen u. ä.) bis hin zu Fragen formaler und inhaltlicher Gestaltung sowie den Methoden 2ur Kontrolle der Effizienz der Werbung. Aus einer anderen Perspektive können auch die Elemente des Kommunikationsprozesses in den Vordergrund der Untersuchungen gestellt werden. Dies sind der Sender (Kommunikator), die Realisation und Gestaltung der Kommunikationsidee (Encodierung), der Kommunikationskanal (Werbeträger, -medium), der Empfänger (Kommunikant; Decodierung). Typische werbepsychologische Fragen sind z. B.: Welche Einzeldimensionen des Vorstellungsbildes vom Sender sind mit welchen Effekten beim Empfänger verbunden? Welche Vorteile besitzt die Schaltung einer vierfarbigen Anzeige gegenüber einer Schwarzweiß-V ersion ? Aus der Sicht der psychischen Prozesse, die beim Empfänger initialisiert werden müssen, damit Werbung wirksam werden kann, ergeben sich weitere Untersuchungsobjekte, z. B. Aktivierung, Wahrnehmung, Lernen und Gedächtnis der Empfänger. Bezüglich der Wahrnehmung steht die Frage im Vordergrund, ob der beeinflussende Stimulus überhaupt wahrgenommen wird bzw. was getan werden muß, damit er wahrgenommen wird. Interessant sind in diesem Zusammenhang z. B. störende Effekte, etwa Ablenkungseffekte. Wurde die Werbung wahrgenommen, wird überprüft, ob die Werbebotschaft auch adäquat verarbeitet wurde. Da im Regelfall (Kauf-)Handlungen nicht zeitgleich mit der Werbewahrnehmung stattfinden, muss die Information gespeichert werden. Dies stellt man durch die Messung der Erinnerung und der Wiedererkennung fest. Eine wesentliche Bedingung für die Aufnahme von Werbeinhalten und ihrer Speicherung ist die Aktivierung, weshalb diese psychologische Größe in besonderer Weise im Blickpunkt der Werbepsychologie steht. Dass die Werbepsychologie eine für die Praxis hilfreiche Disziplin ist, wurde in den letzten Jahren immer deutlicher. So zeigen neuere Ergebnisse, dass Anzeigen heute im Durchschnitt höhere Wirkung erzielen als vor zehn Jahren, und das trotz zunehmender Informationsüberlastung. Einer der Gründe dafür ist, dass heute bei der Werbegestaltung in immer stärkerem Maße Erkenntnisse der Werbepsychologie berücksichtigt werden und die Gestaltung besser an die knapper werdende Zeit des Adressaten angepaßt wird. Nachbardisziplinen: Die Werbepsychologie ist ein Teilgebiet der angewandten Psychologie. Sie kann dabei einerseits auf die Grundlagenforschung der übrigen Disziplinen der Psychologie, wie z.B. Elementenpsychologie, Gestaltpsychologie, Ganzheitspsychologie, zurückgreifen; zum anderen muss sie aber auch selbst Grundlagenforschung betreiben. Vom Anwendungsgebiet läßt sich die Werbepsychologie in die Wirtschaftspsychologie neben die Teilgebiete Arbeits-, Betriebs- oder Organisationspsychologie und Marktpsychologie einreihen. Manchmal wird Werbepsychologie geradezu als ein Synonym für die Marktpsychologie angesehen. Diese Gleichsetzung erscheint nicht gerechtfertigt. Zwar liegen in besonders großer Zahl anwendungsorientierte psychologische Arbeiten vor, die sich mit Werbewirkungs- analysen beschäftigen, doch gibt es ebenfalls und mit steigender Tendenz psychologische Analysen zu den Auswirkungen von Produktgestaltung, von Preisentscheidungen oder zur Wahl von Absatzwegen. Eine weitere Nachbardisziplin ist die Kommunikationswissenschaft (Kommunikation). Überlappungen ergeben sich z. B. bei Fragen der sprachlichen Gestaltung von Texten (Werbesprache) für Prospekte, Anzeigen, Radio-und TV-Spots.
Literatur: Kroeber-Kiel, W.;Meyer-Hentschel, G., Werbung. Steuerung des Konsumentenverhaltens, Würzburg 1982. Mayer, H.; Däumer, U.; Rühle, H., Werbepsychologie, Stuttgart 1982. Rosenstiel, L. v.; Neumann, P., Einführung in die Markt- und Werbepsychologie, Darmstadt 1982.
Vorhergehender Fachbegriff: Werbeprogrammforschung | Nächster Fachbegriff: Werberat
Diesen Artikel der Redaktion als fehlerhaft melden & zur Bearbeitung vormerken
|
|