Steigerungsrate des realen Sozialprodukts von Null Prozent. Den Forderungen nach Nullwachstum liegt die Annahme unausweichlicher Wachstumsgrenzen der Weltwirtschaft und der Weltbevölkerung, die hauptsächlich mit Ressourcenverknappung, Umweltschäden und Nahrungsmittelknappheit begründet werden, zugrunde. Nullwachstum wurde zum ersten Mal vom Club of Rome und später von einigen anderen Futurologen und Ökologen gefordert. Ein Nullwachstum des Sozialprodukts in Entwicklungsländern, die im allgemeinen eine wachsende Bevölkerung haben, würde zu einer drastischen Minderung des Lebensstandards in diesen Ländern führen. Viele Massnahmen zur Reduzierung des Bevölkerungswachstums haben sich als schwer durchführbar erwiesen. Eine Stagnation der Bevölkerung der Dritten Welt wäre allerdings in naher Zukunft wegen des Aufbaus der Alterspyramide selbst bei einer sofortigen Einführung der Zwei-Kinder- Familie erst ca. in einem halben Jahrhundert möglich. Ein Nullwachstum des Sozialprodukts in Industrieländern ist nur erreichbar, wenn die Investitionsgüterindustrie schrumpft, da es keine Nettoinvestitionen, sondern nur noch Reinvestitionen geben darf. Die frei werdenden Arbeitskräfte müssten dann in der Kon- sumgüterindustrie und im Dienstleistungsgewerbe beschäftigt werden. Instrumente, um dies zu erreichen, sind Investitionssteuern, Investitionsverbote, staatliche Genehmigung von Innovationen oder Innovationsverbote. Da Wirtschaftswachstum eng mit dem Wachstum von Wissen und Können verbunden ist und es in der Natur der menschlichen Kreativität liegt, darüber nachzudenken, wie man Produktionsprozesse vereinfachen kann, müssen auch alle Investitionen in das Humankapital drastisch reduziert werden. Die meisten der hier angeführten Massnahmen bedeuten nach unserem gegenwärtigen Verständnis eine Änderung der Wirtschaftsordnung, die mit starken Eingriffen in die menschliche Freiheit verbunden ist. Für dynamische Unternehmer und Selbständige ist die Freiheit, neue Güter und Produktionsfaktoren herzustellen, eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung. In stagnierenden Gesellschaften gibt es keine Entwertung von Wissen durch den technischen Fortschritt, was die Aufstiegsmöglichkeiten der jüngeren Generation stark beeinträchtigt oder unmöglich macht. Untersuchungen an statischen Gesellschaften zeigen eine Dominanz des zugewiesenen Status gegenüber dem erworbenen. Es besteht keine Schichtmobilität und die Vermögens- und Einkommensverteilung ist kaum veränderbar. Nullwachstum des realen Sozialprodukts ohne Einschränkung des technischen Fortschritts ist nur bei gleichzeitiger Arbeitszeitverkürzung möglich. Branchen mit sehr geringem arbeitssparenden technischen Fortschritt (z.B. Krankenhäuser, Gaststätten) müssten ihre Leistungen zu immer höheren Preisen anbieten. Dies hätte Nachfrageverschiebungen zur Folge. Daraus folgten Strukturkrisen, die in einer stagnierenden Wirtschaft ohne grössere soziale Konflikte kaum lösbar wären. Literatur: Jöhr, WA., Instrumente der Wachstumsbegrenzungen und der Wachstumslenkung, in: Wolff, J. (Hrsg.), Wirtschaftspolitik in der Umweltkrise, Stuttgart 1974, S. 9 ff. Popper, K. R., Die Wissenschaft als Institution des Fortschritts, in: Dreizel, H. P. (Hrsg.), Sozialer Wandel, Zivilisation und Fortschritt als Kategorien der soziologischen Theorie, Berlin 1967, S. 305 ff.
(= zero growth) im Sinne neuerer ökologischer Theorien ein Zustand, bei dem alle relevanten - Bestandsgrößen (v.a. Kapital und Bevölkerung) durch gleich große Zu- und Abgänge konstant gehalten werden und damit Wachstumsraten von Null aufweisen (steady state economy). Im Nullwachstum der Bevölkerung kommt das demographisch-ökologische Leitbild einer optimalen Bevölkerungsgröße (für eine Region, ein Land, den gesamten Planeten) zum Ausdruck, die, wenn sie einmal erreicht ist, eingehalten werden soll. Die Bedeutung des Problems wurde im Zusammenhang mit der Diskussion über Grenzen des Wachstums ins öffentliche Bewußtsein gehoben. Dahinter steht die Vorstellung, dass die Erde als geschlossenes System auf Dauer weder ein unbegrenztes Bevölkerungswachstum, noch eine unbegrenzte Ressourceninanspruchnahme verkraften kann. Unter den Vorschlägen zur Stabilisierung des Bevölkerungswachstums erregte v.a. der Plan von Kenneth E. BOULDING Aufsehen, der die Verteilung von sog. Baby-Zertifikaten an alle Ehepaare vorsieht (die verkauft werden können, wenn keine Kinder gewünscht werden). Die Nullwachstums-Doktrin wurde aus kybernetischen Totalmodellen (sog. Weltmodelle: »Raumschiff Erde«) abgeleitet. Eine heftige Diskussion ist um die politischen und gesellschaftlichen Implikationen entbrannt. Literatur: Goldsmith, E. u.a. (1975). Meadows, D. u.a. (1973)
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