(engl. European Integration) Das politische System der Europäischen Gemeinschaft (EG; engl. European Economic Communities EEC) bzw. Europäischen Union (EU) von heute ist nicht die systematische Umsetzung eines entworfenen, allseits akzeptierten Plans eines europäischen Bauwerkes, sondern das Ergebnis eines langjährigen, teilweise ungeplanten Prozesses. Am 18. April 1951 begann der Entwicklungsprozess mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Auf Initiative des damaligen französischen Außenministers Robert Schuman und nach der Ausarbeitung eines Plans von Jean Monnet schlossen Belgien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande, Luxemburg und Italien den (Pariser) Vertrag zur Gründung der EGKS (Montanunion) und übertrugen zum ersten Mal Hoheitsrechte, hier über die Produktion von Kohle und Stahl, einer internationalen Behörde. Ziel dieser Strategie war es, in einem «Kleineuropa der Sechs» zentrale Wirtschaftssektoren unter eine supranationale Kontrolle zu stellen. Zudem wurde die Funktion dieser Wirtschaftsorganisation als politisches Instrument nachdrücklich in der Präambel des EGKS Vertrags festgehalten. 1957 schlossen die beteiligten Staaten einen Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM), um die europäische Integration auf weitere wirtschaftliche Bereiche auszudehnen und der politischen Intention, die «Vereinigten Staaten von Europa» zu schaffen (vgl. Winston Churchill, Rede am 19.9.1946 an der Züricher Universität), näher zu kommen. Dieser strategische Ansatz, politische Einigung über wirtschaftliche Integrationsprojekte anzugehen, blieb bis heute prägend. Für die EWG wurde erneut eine allgemeine und unbestimmte politische Perspektive «einer immer engeren Union der Völker Europas» (Präambel und Art. A EGV) mit konkreten Tätigkeitsfeldern im Bereich der Wirtschaftspolitik (Art. 3 EWGV und jetzt EGV) kombiniert.
Die Gründung der Organisationen der EWG, EGKS und EURATOM verfolgte das Ziel eines Abbaus der Zölle im gegenseitigen Warenverkehr und einer Anpassung der nationalen Zollsätze an den gemeinsamen Außenzolltarif (Zollunion). Das Eintreten in die erste Stufe des Prozesses wurde für den 1.1.1959 also nahezu zwei Jahre nach Unterzeichnung des Vertrages vorgesehen.
Mit dem gleichen Ziel des völligen Zollabbaus (erreicht am 31.12.1966) gründeten Dänemark, Großbritannien, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und die Schweiz am 4.1.1960 durch den Vertrag von Stockholm und mit Sitz in Genf die Europäische Freihandelszone (EFTA, engl. Abkürzung für European Free Trade Association; mit Finnland ab 1961 als assoziiertem Mitglied [ Assoziierung] und Beitritt Islands ab 1970). Jedes Mitglied behielt aber im Gegensatz zur EG das Recht, eigene Zölle gegenüber Drittländern (Nichtmitgliedern) zu erheben. EG und EFTA waren durch Präferenzabkommen (Zollvergünstigungen oder freiheit) verbunden. Mit dem Fusionsvertrag (p Fusion) von 1967 wurden die wichtigsten Organe der EWG, EGKS und EURATOM, die Kommission, der Rat, das Europäische Parlament und der Europäische Gerichtshof, zusammengeführt. Für diese gemeinsamen Hauptorgane und die Mitgliedstaaten selbst wird nun der Name Europäische Gemeinschaft (EG; engl. European Economic Communities EEC) verwandt. Nach einigen Fehlschlägen (z. B. Frankreichs «Politik des leeren Stuhls») erfolgte auf den Gipfelkonferenzen in Den Haag 1969. und Paris 1972 eine qualitative und quantitative Fortentwicklung der EG. Es wurden neue und erweiterte Problembereiche als Aufgaben der EG identifiziert und mit einer Europäischen Union sowie Europäischen Wirtschafts und Währungsunion zentrale Leitbilder vorgegeben. Der sog. Luxemburger Bericht (auch Davignon Bericht) der Außenminister wurde am 27.10.1970 verabschiedet und bildete die Grundlage für die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ). Am Vorabend der EWG Norderweiterung 1973 um Großbritannien, Dänemark (beide verließen damit die EFTA) und Irland (die Süderweiterungen folgten später mit Griechenland 1981 sowie mit Spanien und Portugal 1986) wurde auf dem Pariser Gipfel erstmalig die Bildung einer Europäischen Union als Konsequenz einer Überprüfung der europäischen Integrationsperspektive angesprochen. Es wurde eine Dreier trategie angestrebt, bestehend aus der «Vollendung» der Gemeinschaft, insbesondere durch die Finanzierung der Agrarpolitik über ein durch Eigeneinnahmen der EG geschütztes Budget, sowie aus der «Erweiterung» um die genannten Staaten und aus einer «Vertiefung» durch die EPZ hin zu einer politischen Union. Weitere Ziele wurden in der Umwelt , Technologie und Regionalpolitik formuliert. Diese wurden dann in der Einheitlichen Europäischen Akte (1987). und im Maastrichter Vertrag (1992) berücksichtigt, rechtlich in eigene Kapitel gefasst und teilweise in neue Verfahren überführt. In den 1970er Jahren waren außerdem durch ein Abkommen 1979 die Gründung des Europäischen Währungssystems (EWS) mit einem innerhalb einer engen Schwankungsbreite einzuhaltenden festen, aber anpassbaren Wechselkurssystem (Wechselkurse) von Bedeutung sowie zwei weitere institutionelle Ereignisse, die Gründung des Europäischen Rates (1974) und die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament (1979). Während durch den Europäischen Rat den Staats und Regierungschefs ein fest installiertes Diskussions und Entscheidungsforum eingerichtet wurde, versprachen sich Anhänger eines föderalen Europas mit der Einrichtung des Europäischen Parlaments eine Verringerung des demokratischen Defizits der EG. Insgesamt waren damit in den 1970er Jahren wesentliche Grundlagen geschaffen worden, die in den 1980er und 1990er Jahren fortgeschrieben werden sollten. Nach der Phase der «Eurosklerose» zu Beginn der 1980er Jahre griff der neue Präsident der EG Kommission, Jacques Delors, die vorliegenden Pläne zum Binnenmarkt wieder auf. Es sollte Ober die Währungsunion auch eine Vertiefung der politischen Einigung erzielt werden, die sich auch in einer gemeinsamen Außen und Sicherheitspolitik äußern sollte. Erneut prägte die Nutzung ökonomischer Projekte für politische Ziele diese Phase der europäischen Integrationsgeschichte. Der Beginn für die Entwicklung hin zu einem gemeinsamen Binnenmarkt erfolgte am 26.3.1984 im Europäischen Parlament durch die Vorlage des Berichts über die Verwirklichung des Binnenmarktes. Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) wurde am 17.2.1986 in Luxemburg von neun Mitgliedstaaten unterzeichnet. Dänemark nach Volksbefragung mit positivem Ergebnis , Italien und Griechenland folgten am 28.2.1986 in Den Haag. Am 25.6.1987 hatten mit der Republik Irland alle zwölf Mitgliedstaaten die EEA ratifiziert, die daraufhin am 1.7.1987 in Kraft trat. Die EEA sah eine Änderung der Verträge über die EG mit dem Ziel vor, eine Stärkung und Weiterentwicklung der europäischen Zusammenarbeit in der Außenpolitik, in der Vollendung des Binnenmarktes bis 1992, insbesondere durch die Einführung von Mehrheitsentscheidungen in bestimmten Bereichen, zu erreichen. Intention war die Errichtung eines gemeinsamen europäischen Marktes mit zollfreiem Waren und Dienstleistungsverkehr, freiem Kapitalverkehr, Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Die EEA erfüllt eine Doppelfunktion. Zum einen sieht sie ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten zur Änderung der Gründungsverträge der drei Gemeinschaften EWG, EGKS und EURATOM vor, zum anderen ist die EEA aber auch ein originärer völkerrechtlicher Vertrag zwischen den zwölf Mitgliedstaaten über die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik, für die damit erstmalig eine vertragliche Grundlage geschaffen wurde. Außerdem wurde der Wille zur Schaffung der EU bekräftigt (vgl. Präambel wie auch Art. 1 EWGV), die Verwirklichung des Binnenmarktes geplant sowie die Konvergenz der Wirtschaftsund Währungspolitik (Art. 102a EWGV) und der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten (Art. 130a 130e EWGV) gefördert. Die EEA war bis zum Maastrichter Gipfel die wichtigste Reform und Ergänzung der EG Verfassung seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahr 1957, denn die Mitgliedstaaten haben sich in einer rechtlich verbindlichen Form das Ziel zur Errichtung der EU gesetzt und die konkreten Ausgestaltungen zur Vollendung des Binnenmarktes festgesetzt. Außerdem wurden die Kompetenzen der EG um die Gebiete Forschung, Technologie und Umweltschutz erweitert. Die mit der EEA eingeleiteten institutionellen Reformen sind darauf gerichtet, die im Luxemburger Kompromiss begründete Ineffizienz der Gemeinschaftspolitik zu überwinden und die ursprünglich vereinbarte und formal nie aufgehobene Mehrheitsregel für Ratsbeschlüsse zu verwirklichen. Weiterhin sollte die Mitarbeit des Parlaments an den Ratsbeschlüssen gesichert werden. Das Europäische Parlament wurde insgesamt gestärkt, insbesondere seine Rechte bei der Mitarbeit im Gesetzgebungsverfahren.
Am 21.10.1991 schlossen die EG und die verbliebenen EFTA taaten in Luxemburg ein Abkommen über die Grundlagen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Unterzeichnet wurde dieses Abkommen am 2.5.1992 in Porto. Auf der Basis dieses Abkommens haben die EFTA taaten ab 1993 das gesamte Gemeinschaftsrecht übernommen. Die Schweiz hat im Dezember 1992 den Vertrag abgelehnt und nimmt nicht am EWR teil. Durch den Vertrag von Maastricht («Vertrag über die Europäische Union») wurde mit Wirkung vom 1.11.1993 die Europäische Union (EU) gegründet. Der Vertrag hat zwei Ziele: die Entwicklung einer politischen Union und der Europäischen Wirtschafts und Währungsunion (EWWU). So wurde der Stufenplan der EWWU als «Peitsche für den Aufbau einer politischen Union» bezeichnet. Die wichtigsten Vereinbarungen sind der dreistufige Gemeinschaftsaufbau, die Unionsbürgerschaft, die Betonung des Subsidiaritätsprinzips, die Neuregelung der Befugnisse des Europäischen Parlaments, Gemeinsame Außen und Sicherheitspolitik (GASP), neue Zusammenarbeit in der Innen und Rechtspolitik (ZJIP), verstärkte Haushaltskontrolle, Sozialpolitik und die Wirtschafts und Währungsunion mit Einrichtung der r Europäischen Zentralbank (EZB) und einer einheitlichen Währung, dem Euro. Am 1.1.1995 sind Finnland, Österreich und Schweden beigetreten. Nach der politischen Wende 1989 eröffneten sich Aussichten für einen Beitritt mittel und osteuropäischer Staaten. Auf dem Nizza Gipfel im Dezember 2000 wurde im Hinblick auf die Ost rweiterung der EU ein erster Schritt unternommen, die europäischen Institutionen so zu reformieren, dass die Union auch nach einer Aufnahme dieser Beitrittskandidaten arbeits und entscheidungsfähig bleibt. Hierzu waren eine Neugewichtung der Stimmen im Parlament und Ministerrat sowie eine Umstrukturierung der Kommission entscheidend. Bei der Reform der europäischen Institutionen konnten sich die kleineren Mitgliedsländer mit der Forderung durchsetzen, dass auch in Zukunft jedes Mitgliedsland einen EU Kommissar nach Brüssel entsendet. Von 2005 an wird das Prinzip «ein Staat ein Vertreter» in der Kommission angewendet, bis jene zwölf potenziellen Mitgliedstaaten der EU beigetreten sind. Dann soll der «Kreis der 27» über eine Verldeinerung bei Berücksichtigung eines Rotationsmodells verhandeln. Die Rolle des Präsidenten der EU Kommission, der vom Ministerrat künftig mit qualifizierter Mehrheit gewählt wird, soll demnächst gestärkt werden, indem er mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der personellen Zusammensetzung der Kommission und über die Verteilung der Zuständigkeiten erhält.
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