In der Umweltwirtschaft:
1. Umweltfunktionen
Umweltschutz sichert die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen, zu denen die Umweltmedien Boden, Wasser, Luft, die intermedialen Stoffkreisläufe sowie Flora, Fauna und deren Lebensräume gehören. Die natürlichen Lebensgrundlagen werden heute über weite Strecken vom Menschen wesentlich beeinflusst und zielgerichtet gestaltet, während eine vom Menschen unberührte „natürliche Umwelt“ kaum noch existiert. Aber auch in der von anthropogenen Nutzungsinteressen geprägten sogenannten „kultürlichen“ Umwelt ist der Grad der anthropogenen Einflußnahme nicht überall gleich intensiv, und in ihr sind chemische, physikalische sowie biologische Prozesse wirksam, die nicht ersetzbare Grundlage von Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen sowie der vom Menschen geschaffenen künstlichen oder kulturell-zivilisatorischen Umwelt sind.
Die biotischen und abiotischen Elemente der natürlichen Umwelt des Menschen sowie die intermedialen Stoffkreisläufe werden aus ökonomischer Sicht als Güter interpretiert, die für die Wirtschaftssubjekte Nutzen im weitesten Sinne stiften, wenn deren Produktions-, Träger-, Regelungs- und Lebensraumfunktionen zugunsten produktiver oder konsumtiver Ziele eingesetzt werden:
Umweltgüter besitzen eine natürliche Ertragskraft. Hierbei kann es sich um nichtlebende Ressourcen handeln, die erneuerbar (wie etwa Sauerstoff und Wasser) oder nichterneuerbar (z. B. Kohle- und Metallvorräte) sind, um Güter aus lebenden, wild-wachsenden Ressourcen (z. B. Torf und Holz) und um Produkte aus lebenden Ressourcen, die angepflanzt (z. B. Bäume) bzw. gehalten und gezüchtet (z. B. bestimmte Tierarten) werden. Die Nutzung dieser Funktion durch den Menschen verändert die natürliche Umweit, weil Stoffe und Lebewesen entnommen und die biotischen sowie abiotischen Elemente von natürlichen und künstlich geschaffenen Ökosystemen (z. B. Landwirtschaft) laufend verändert werden.
Die Trägerfunktion der natürlichen Umwelt besteht darin, daß Aktivitäten, Erzeugnisse und Abfalle als Folge menschlichen Handelns aufgenommen bzw. getragen werden. Von seiten des Menschen werden hier Ansprüche für Wohnen, gewerblich-industrielle Erzeugung, Ver- und Entsorgung, Verkehr, Transport, Kommunikation sowie Freizeit und Erholung gestellt. Ebenso wie die Nutzung der Produktionsfunktion führt auch die Inanspruchnahme der Trägerfunktion zu Eingriffen in die natürliche Umwelt, weil z. B. eine Bebauung Lebensräume verändert und durch Versiegelung die regionale Grundwasserregeneration beeinflusst wird.
Die Regelungs- oder Regenerationsfunktion umfaßt die Reinigungs- sowie die Stabilisierungsfunktion. Zur Reinigungsfunktion zählen die Fähigkeit zum Abbau von Abfallstoffen, die Selbstreinigung der Gewässer, die Filterung der Luft durch Wälder oder des Wassers durch die Bodenpassage. Dadurch können durch Umweltnutzungen ausgelöste Ungleichgewichte in der natürlichen Umwelt abgebaut werden. Zur Stabilisierungsfunktion zählen insbesondere die Immobilisierung von Stoffen in Böden, die Dämpfung klimatischer und metereologischer Einwirkungen durch Wälder und Gewässer sowie die Zurückhaltung von Wasser in der Pflanzendecke und im Boden.
Die natürliche Umwelt ist für den Menschen sowie für Tier- und Pflanzenarten auch der Lebensraum, bei dem das Zusammenspiel zwischen seinen biotischen und abiotischen Elementen und die Nutzung seiner natürlichen Funktionen darüber entscheiden, welche Überlebens- und Entwicklungsmöglichkeiten er seinen Bewohnern bietet. Die Ansprüche an den Lebensraum unterscheiden sich zwischen den verschiedenen Tier- und Pflanzenarten, weil sie z. B. auf besonders trockene oder feuchte Standorte angewiesen sind. Darüber hinaus konkurrieren die Lebensraumansprüche von Flora und Fauna mit anthropogenen Interessen, weil beispielsweise die moderne Landwirtschaft im Interesse der Optimierung ihrer Erträge möglichst ausgeglichene Standortbedingungen wünscht, d. h. weder übermäßig feuchte noch besonders trockene Standorte präferiert.
Die Fähigkeit, die hier skizzierten Funktionen ausüben zu können, bestimmt maßgeblich den Wert der natürlichen Umwelt für den Menschen. Da sich einerseits auch moderne Gesellschaften nicht völlig von ihren natürlichen Lebensgrundlagen emanzipieren können und wollen und andererseits die Qualität der verschiedenen Funktionen durch das Wachstum umweltbelastender Aktivitäten in den letzten Jahren stark unter Druck geriet, werden größere Umweltschutzanstrengungen gefordert. Je stärker aufgrund der anthropogenen Nachfrage Überbeanspruchungen Leistungsminderungen oder im Extremfall einen Systemzusammenbruch auslösen, desto knapper sind die Umweltgüter. Während für die Ressourcenknappheit die das Ressourcenangebot übersteigende anthropogene Nachfrage nach Stoffentnahmen verantwortlich ist, ist die Knappheit von Umweltgütern auf die begrenzte Fähigkeit der Umwelt zurückzuführen, Stoffe aus dem kulturell-zivilisatorischen System aufzunehmen. Die Stoffabgabe sowie die Abgabe nichtstofflicher Bestandteile (Lärm, Abwärme) resultieren daraus, daß sowohl Lebewesen als auch technische Prozesse offene Systeme sind, denen Energie und Stoffe zugeführt werden müssen, die wieder an die natürliche Umwelt abgegeben werden. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Schäden wie etwa bei Staubemissionen im Zuge der Stoffabgabe an die natürliche Umwelt ausgelöst werden oder ob wie beispielsweise beim Klimaschadstoff CO2 die Akkumulation der Stoffe in der natürlichen Umwelt für die negativen Auswirkungen verantwortlich ist.
2. Wirtschaftlicher Wert des Umweltschutzes
Die Ansprüche an die natürliche Umwelt haben heute ein solches Ausmaß erreicht, daß eine unbeschränkte Umweltnutzung dazu führen würde, daß nicht erneuerbare Umweltgüter zu schnell verbraucht und regenerierbare Umweltgüter irreversibel zerstört werden. Ein solcher Prozeß ist aus ökonomischer Sicht problematisch, wenn lediglich die mit der Umweltbelastung verbundenen wirtschaftlichen Vorteile (Nutzen) etwa in Gestalt zusätzlich geschaffener Güter betrachtet werden, aber die Nachteile (Kosten) der Umweltnutzung, die z. B. im Verlust von Nutzungsmöglichkeiten durch die Verschmutzung bestehen, nicht ausreichend berücksichtigt werden. Deshalb zielt Umweltschutz auf die Schaffung von Restriktionen und Anreizen ab, die die Funktionsfähigkeit der natürlichen Umwelt sichern sollen. Vor allem drei wirtschaftliche Vorteile bestimmen dabei den Wert des Umweltschutzes. Umweltschutz besitzt zunächst einen Nutzungswert, da er sicherstellt, daß eine dauerhafte Nutzung der knappen Funktionen der natürlichen Umwelt möglich bleibt und nicht ersetzbare Umweltfunktionen erhalten werden. Gewässer, die etwa im Rahmen ihrer Regenerationsfähigkeit Abfallstoffe aus Haushaltsabwässern abbauen, können dies nur so lange, wie die biologische Abbaufähigkeit der Mikroorganismen nicht durch eine zu große Stoffzufuhr zerstört wird. Übersteigen die Ansprüche der Wirtschaftssubjekte die verfügbaren Potentiale der Fließgewässer, stellt sich die Frage, auf welche Nutzung verzichtet werden soll. Aus ökonomischer Sicht sollen die Interessenten ausscheiden, die im Zuge der Umweltnutzung geringere wirtschaftliche Werte schaffen als andere. Umweltschutz sichert somit, daß die wertvollsten Nutzungen der natürlichen Umwelt weiterhin möglich sind und erhöht ihren Nutzungswert. Darüber hinaus verbindet sich mit Umweltschutz ein Existenz- und Optionswert. Beide sind nicht an eine unmittelbare Nutzung gebunden, sondern stellen auf den Daseinsnutzen von Tier- und Pflanzenarten (Existenzwert) sowie auf die Vorteile ab, die sich mit der Sicherung von zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten (Optionswert) verbinden.
Es sind der Nutzungs-, Existenz- und Optionswert und damit die Wertschätzung der natürlichen Umwelt von seiten der Individuen, die den Umfang von Umweltschutzmaßnahmen determinieren. Der Wert von Umweltschutzmaßnahmen ergibt sich somit weder aus der Natur selbst noch aus Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Vielmehr legen sich Menschen vor dem Hintergrund naturwissenschaftlicher Aussagen über die Belastungsgrenzen der natürlichen Umwelt Restriktionen auf, indem sie auf belastende Aktivitäten verzichten oder Vermeidungsinvestitionen in Angriff nehmen. Somit sind die Schutzrnaßnahmen von den Vorstellungen und Präferenzen der heute lebenden Generation und ihrer Bereitschaft abhängig, Verantwortung für ihre Nachkommen zu übernehmen.
Dabei sind neben dem knappheitsbedingten Nutzungsverzicht auch Gesundheitsschäden und materielle (z. B. Vermögensminderung an Gebäuden durch Luftschadstoffe) sowie immaterielle Schäden (z. B. im Zuge der Veränderung des Landschaftsbildes) zu berücksichtigen. Dies bedeutet nicht, die Belastungen zu minimieren, d. h. gänzlich auf die Nutzung der Umwelt zu verzichten. Vielmehr besteht das Ziel darin, den Umweltschutz zu optimieren, d. h. nur so lange auf Belastungen zu verzichten und die Umwelt zu schützen, bis die Differenz zwischen erwartetem Nutzen (E[N]) und erwarteten Kosten (E[K]) der Verschmutzung möglichst maximal ausfällt.
Nicht in allen Fällen läßt sich diese Abwägungsentscheidung auf der Basis vollständig monetarisierter Bewertungen treffen, da etwa der Wert von Tier- und Pflanzenarten oder der Wert einer Verminderung umweltbedingter Krankheitsrisiken ebenso wie der Wert immaterieller Schäden schwer zu beurteilen ist. In diesen Fällen ist es allerdings notwendig, die Bewertungsmaßstäbe offenzulegen, auch wenn sie nicht auf Vergleichen in Geldeinheiten beruhen. Es kann auf Austauschrelationen zurückgegriffen werden, die darüber Auskunft geben, welcher Aufwand und Verzicht auf andere Güter akzeptiert werden, um etwa ein umweltbedingtes Krankheitsrisiko oder die Wahrscheinlichkeit für das Aussterben einer Art zu vermindern. Diese Größen sind sowohl beobachtbar als auch meßbar, und insofern ist das Konzept eines optimierten Umweltschutzes durchaus operational.
Verschiedene Gründe können dafür verantwortlich sein, daß Schutzmaßnahmen gewählt werden, die das optimale Verschmutzungsniveau (V°P) weiter verringern. Hier ist zunächst daran zu denken, daß die Schäden bzw. Kosten der Umweltnutzung unsicher sind und die Wirtschaftschaftssubjekte darauf unterschiedlich reagieren, je nachdem, ob sie sich eher risikoscheu, -freudig oder - neutral verhalten. Da es sich beim Erwartungswert um einen mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten Mittelwert handelt, kann dieser mehr oder weniger breit streuen. Stärker risikoscheue Individuen werden deshalb die Umweltbelastung mehr reduzieren und sich an „Safe-MinimumStandards“ orientieren, wenn sie dadurch die Gefahr reduzieren, daß eine irreversible Zerstörung des Umweltgutes eintritt und sie keine Möglichkeit besitzen, sich gegen diese Risiken zu versichern. Diesem Grundsatz entspricht auch das Vorsorgeprinzip in der Umweltpolitik, nach dem Umweltbelastungen möglichst vermieden werden sollen, um die Funktionsfähigkeit der natürlichen Umwelt zu erhalten. Das verdeutlicht noch einmal, daß letztlich Präferenzen (d. h. hier Risikopräferenzen) für das Niveau der Umweltschutzmaßnahmen verantwortlich sind und auch deshalb Angaben von den Naturwissenschaften über kritische Belastungsgrenzen zwar für die Gefahrenabschätzung sehr wichtig sind, aber nicht unmittelbar in Schutzvorgaben transformiert werden. Dies zeigt sich um übrigen auch, wenn Umweltschutz unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit beurteilt wird. Hier handelt es sich um freiwillig auferlegte Restriktionen, die Umweltbelastungen zusätzlich im Interesse späterer Generationen drosseln. Strenge Nachhaltigkeit stellt darauf ab, daß die natürliche Umwelt in ihrem augenblicklichen Zustand (mindestens) erhalten bleibt und damit ein Zuwachs an Belastungen generell nicht möglich wäre. Schwache Nachhaltigkeit läßt hingegen einen Zuwachs an Belastungen der natürlichen Umwelt zu, wenn im Gegenzug durch Investitionen der Bestand an Kapitalgütern, die Umweltgüter substituieren können, ausgebaut wird. Beide Restriktionen können dazu führen, daß sich die optimale Umweltverschmutzung weiter verringert. Sollte allerdings die strenge Nachhaltigkeit vereinfachend die momentane Gesamtbelastung als Obergrenze ansehen, kann es auch sein, daß ein Wert rechts von VP’ erreicht wird, und zwar dann, wenn die tatsächlichen Verschmutzungen suboptimal hoch sind. Diese Konstellation dürfte in vielen Fällen die heutige Situation am ehesten wiedergeben. Die Gründe dafür sind in fehlenden Ordnungsregeln vor allem für die öffentlichen Umweltgüter zu suchen, die Anreize zum Schutz der Umwelt setzen.
3. Öffentliche und private Umweltgüter Die verschiedenen Dimensionen des Nutzens von Umweltgutern lösen auch ohne staatliches Eingreifen Schutzmaßnahmen in Richtung auf VP’ aus, falls es sich um private Umweltgüter oder -funktionen handelt. Bei ihnen ist etwa das Recht auf Nutzung exklusiv an ein privates Eigentumsrecht gebunden, und eine gemeinschaftliche Nutzung ist nicht möglich, da Nutzungsrivalität herrscht. So wird etwa der private Eigentümer eines Sees dessen irreversible Verschmutzung nicht zulassen, wenn die damit verbundenen Kosten in Gestalt einer Einschränkung anderer Nutzungen (Baden, Erholung, Fischfang etc.) den Wert der Verschmutzung übersteigen. Wenn sich die ökonomischen Folgen des Umweltschutzes ausschließlich auf den Eigentümer konzentrieren, besitzt er im Eigeninteresse einen starken Anreiz, Umweltschutz zu optimieren, d. h. auf keinen Fall V°P’ zu überschreiten. Anders verhält es sich, wenn es sich um öffentliche Umweltgüter bzw. öffentliche Umweltfunktionen handelt. Diese zeichnen sich gegenüber privaten dadurch aus, daß der Nutzen der Schutzmaßnahmen nicht exklusiv den Wirtschaftssubjekten zugute kommt (fehlender Ausschluß), die die damit verbundenen Kosten durch Verzicht oder Vermeidung von Emissionen tragen. Darüber hinaus fehlt die für private Güter typische Nutzungsrivalität, weil etwa von verbesserter Luftqualität alle Bürger einer Region profitieren, ohne daß sie sich dabei gegenseitig beeinträchtigen; insofern wäre es auch nicht sinnvoll, Individuen von der Nutzung auszuschließen. Neben diesen „rein“ öffentlichen Gütern gibt es verschiedene weitere Spielformen, weil zahlreiche Umweltgüter nicht beide, sondern nur eines der Kriterien erfüllen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß ein Umweltgut sowohl öffentliche als auch private Funktionen besitzen kann. So ist etwa beim Boden die Trägerfunktion ein weitgehend privates Gut, während sich die Speicherfunktion sowohl auf emittierte Stoffe des Grundstücksnutzers als auch auf diffuse Stoffeinträge aus der Luft erstreckt und somit das Ausschlußprinzip nicht in jeder Hinsicht gilt.
In Folge der Öffentlichkeitseigenschaften der Leistungen des Umweltschutzes kommt es zu Freifahrerverhalten (Free-Rider Verhalten), d. h. die Wirtschaftssubjekte offenbaren nicht ihre Präferenzen darüber, was ihnen eine Umweltschutzmaßnahme wert ist, da sie aufgrund des fehlenden Ausschlußes berechtigte Aussichten haben, auch dann davon zu profitieren, wenn sie sich an der Finanzierung nicht beteiligen. Fehlende Exklusivität und der damit verbundene unbeschränkte Zugriff auf Umweltgüter führen dazu, daß die mit Umweltbelastung verbundenen Kosten nicht von den verantwortlichen Akteuren getragen werden. Wenn der Zugang frei ist, sind rationale Wirtschaftssubjekte nicht bereit, für saubere Luft, ein schönes Landschaftsbild oder die Existenz von Tier- und Pflanzenarten etwas zu zahlen. Soweit Freifahrermöglichkeiten sich auch bei Verschmutzung von Umweltgütern ergeben, werden etwa die Kosten auf die Allgemeinheit überwälzt, während der Nutzen individuell vereinnahmt wird. Zwangsläufig wird unter diesen Bedingungen überschritten. Um Umweltschutz bzw. der Vorteile von öffentlichen Umweltgütern zu kommen, liegt es im wohlverstandenen Eigeninteresse der Bürger, die Rahmenbedingungen für die Nutzung von Umweltgütern zu verändern und insbesondere den unbeschränkten Zugriff auf die Umweltfunktionen zu vermeiden. Dieses Ziel kann mit Hilfe verschiedener Ordnungsregeln erreicht werden.
4. Ordnungsregeln zum Schutz der Umwelt Soweit ein polizeirechtliches Verständnis von Umweltschutz dominiert, soll im Interesse der unmittelbaren Gefahrenabwehr mit Hilfe von Ver- und Geboten eine problematische Umweltbelastung unterbunden werden. Drohen etwa bei Emissionen bereits bei geringen Mengen hohe Schäden an Mensch und Umwelt oder muß die Überschreitung einer kritischen Akkumulation von Stoffen in der Umwelt verhindert werden, sind entsprechende Verbote oder Grenzziehungen ökonomisch sinnvoll, weil ansonsten die Folgekosten die Vorteile der Umweltnutzung überschreiten. In der Praxis beschränkt sich der polizeirechtlich orientierte Umweltschutz jedoch nicht darauf, maximale Belastungsgrenzen zu definieren, sondern es werden insbesondere Emissionsgrenzwerte für mobile und stationäre Emissionsquellen vorgegeben. Diese schreiben den einzelnen Emittenten vor, in welchem Umfang sie Schadstoffe freisetzen dürfen, wobei sie sich am Stand der Emissionsvermeidungstechnik orientieren. Mit diesen sektoral und regional nicht differenzierten Emissionsgrenzwerten verbindet sich eine Reihe umweltökonomischer Ineffizienzen:
Sektoral und regional einheitliche Emissionsgrenzwerte berücksichtigen die unterschiedlichen Vermeidungskosten nicht. Da sämtliche Anlagen im gleichen Umfang Emissionen vermeiden müssen, ist der Weg versperrt, in den Regionen und Sektoren Umweltschutz zu betreiben, wo dies zu den geringsten Kosten möglich ist. Divergieren etwa die Kosten der CO2-Verminderung aufgrund unterschiedlich leistungsfähiger Kraftwerke, ist es sinnvoll, in den Regionen CO2 zu vermeiden, wo dies mit den geringsten Kosten verbunden ist.
Je nach den Ausgangsbelastungen sind in den Regionen unterschiedliche Umweltschutzanstrengungen sinnvoll. Einheitliche Standards gehen somit nicht nur von sektoral und regional identischen Vermeidungskosten aus, sondern vernachlässigen auch regionale Unterschiede bei den Umweltschäden. Folglich fällt das Niveau der Schutzmaßnahmen in den Regionen suboptimal aus, wenn die Standards regionale Besonderheiten nicht beachten.
Anlagenbezogene Grenzwerte sind nicht geeignet, die Gesamtbelastung in einer Region zu steuern, weil sie zwar die Emission einzelner Anlagen beeinflussen, nicht aber die Gesamtzahl der in einer Region ansässigen Emittenten. Es kommt somit zu einer laufenden Umweltqualitätsverschlechterung, wenn die Zahl der verschmutzenden Anlagen zunimmt.
Die geschilderten Instrumente polizeirechtlichen Umweltschutzes sind somit ineffizient, weil ein gegebenes Umweltqualitätsziel nicht mit dem geringsten Aufwand (Minimumprinzip) oder mit gegebenen Mitteln an Umweltaufwendungen nicht ein Maximum an Vorteilen (Maximumprinzip) realisiert wird. Diese statischen Ineffizienzen werden zudem durch dynamische verschärft, wenn Emissionsgrenzwerte an den Stand der Vermeidungstechnik gebunden werden. In diesem Fall haben die Umweltverschmutzer kein Interesse, den technischen Fortschritt zur Reduktion von Belastungen voranzutreiben, da umwelttechnischer Fortschritt zu einer Anpassung der Emissionsstandards bei der Genehmigung von Anlagen führt und die Produktionskosten erhöht.
Wenn ein generell polizeirechtlicher Ansatz für Umweltschutz nicht sicherstellt, daß die Gesamtbelastung effizient gesteuert wird, stellt sich die Frage nach möglichen Alternativen. Sie können in Strategien gesehen werden, die Umweltgüter „angepaßt“ privatisieren. Der unbeschränkte Zugriff auf natürliche Ressourcen ist eine wesentliche Ursache für ihre Übernutzung. Der erste Schritt ökonomisch fundierter Umweltpolitik besteht folglich darin, exklusive private Verfügungsrechte an Umweltgütern zu definieren und durchzusetzen; dazu gehört auch, daß für Umweltschäden Schadenersatz zu leisten ist. Diese elementaren Regeln eines marktwirtschaftlichen Systems induzieren privates Interesse an Umweltschutz und setzen bei den privaten Akteuren Anreize, durch Vorsorgemaßnahmen Umweltschäden zu vermeiden und in ihrer Höhe zu begrenzen. Müssen etwa auch die Kosten der Umweltnutzung vom Verschmutzer getragen werden, weil private Eigentumsrechte einen freien Zugriff verhindern, werden Belastungen von Akteuren, die den Schaden der Eigentümer von Umweltgütern nicht kompensieren können, zurückgenommen. In vielen Fällen scheitert jedoch eine solche Privatisierung, weil etwa die Durchsetzung des Ausschlußprinzips mit Transaktionskosten verbunden ist, die gemessen am Wert des Umweltgutes zu hoch ausfallen. So läuft beispielsweise die Forderung von Waldbesitzern nach Schadenersatz für Waldschäden aufgrund von Luftbelastungen leer, weil u. a. der Kausalitätsnachweis bei der Vielzahl von Emissionsquellen nicht erbracht werden kann. Aufgrund der Transaktionskostenproblematik liegt es deshalb nahe, eine „Teilprivatisierung“ anzusteuern. Dies kann im Rahmen einer Mengen- oder Preissteuerung geschehen:
Bei der Mengensteuerung werden umweltbelastende Aktivitäten an den Erwerb von exklusiven Nutzungsrechten gebunden. Dies bietet sich an, wenn über die Schaffung geeigneter Ausschlußmechanismen Emissionen nur erlaubt sind, wenn der Verschmutzer einen entsprechenden Preis entrichtet hat. Dabei handelt es sich um eine „Teilprivatisierung“, weil über die Allokation von Umweltgütern in Hinblick auf ihre produktive und konsumtive Verwendung politisch entschieden wird, indem die Menge der zulässigen Emissionen fixiert wird. Ihre Verteilung auf die verschiedenen Emittenten wird entsprechend deren Zahlungsbereitschaft auf dem Emissionsrechtsmarkt ökonomisch entschieden. Die US-amerikanische Luftreinhaltepolitik hat mit diesem Verfahren der Mengensteuerung (Lizenzlösung) ermutigende Erfahrungen gemacht. Ihr wesentlicher Vorteil ist darin zu sehen, daß zum einen ein politisch definiertes Umweltqualitätsziel sicher erreicht werden kann, und zum anderen sichergestellt ist, daß Umweltschutz dort betrieben wird, wo dies mit den geringsten Kosten verbunden ist. Denn Verschmutzungslizenzen wird der erwerben, der die Umweltbelastung nur zu höheren Kosten vermeiden kann als der Verkäufer einer Lizenz. Die Suche nach kostengünstigen Lösungen wird somit beschleunigt, und Investitionen zur Vermeidung von Umweltbelastungen werden auf Märkten honoriert.
Ein der Mengensteuerung ähnlicher ökonomischer Anreiz für Umweltschutz kann auch über eine Preissteuerung erreicht werden, indem etwa bei der Abgabe von Emissionen an die Umwelt eine Emissionssteuer zu zahlen ist. Die Höhe der Steuer sollte sich ebenso wie erlaubte Gesamtemissionen im Lizenzmodell am Umweltqualitätsziel orientieren, d. h. höhere Steuersätze führen zu mehr Umweltschutz und umgekehrt. Analog zur Zahlung eines Lizenzpreises werden diejenigen Umweltsteuern zahlen, deren Grenzvermeidungskosten je Emissionseinheit oberhalb des Steuersatzes je Emissionseinheit liegt. Andernfalls werden sie Emissionen vermeiden, weil dies je Emissionseinheit billiger ist als die Zahlung der Steuer.
Sowohl die Mengen- als auch die Preissteuerung stehen allerdings vor dem Problem, daß politisch über die Höhe der zulässigen Emissionen bzw. über die Höhe des Steuersatzes bzw. die Steuerbemessungsgrundlage entschieden wird. Bei Emissionslizenzen kann dies dazu führen, daß die Gesamtmenge zu hoch (zu gering) ausfällt, wenn die wirtschaftlichen Interessengruppen stärker (schwächer) wiederwahlrelevant sind als die umweltpolitischen. Bei der Emissionssteuer liegt das Problem darin, daß finanzielle Interessen mit Lenkungsinteressen kollidieren können. Orientieren sich Politiker stärker an den Steuereinnahmen, kann dies zu Abstrichen am Umweltqualitätsziel und geringeren Entlastungen der natürlichen Umwelt führen. Insofern kommt es bei der skizzierten Teilprivatisierung darauf an, verzerrende Einflußnahmen der politischen Rationalität durch geeignete Anreizsetzung zu begrenzen, um sicherzustellen, daß bei der Entscheidung nicht politische Gruppeninteressen, sondern die Präferenzen aller Bürger ausschlaggebend sind. Dies gilt auch dann, wenn Steuern erhoben werden, um mit ihnen die Bereitstellung öffentlicher Umweltgüter zu finanzieren. Auch hier ist sicherzustellen, daß die Zwangsabgaben und die damit finanzierten Maßnahmen äquivalent zu den Präferenzen der Bürger sind.
5. Föderalisierung des Umweltschutzes
Um die Bereitstellung öffentlicher Umweltgüter entsprechend den Präferenzen der Wirtschaftssubjekte zu erreichen, bietet es sich an, Aufgaben des Umweltschutzes Gebietskörperschaften zuzuweisen, die geeignet sind, als lokale Gebietskörperschaft lokale Umweltprobleme, als regionale Gebietskörperschaft regionale Umweltprobleme etc. zu lösen. Eine solche Deckungsgleichheit der räumlichen Dimension des Nutzens und der Kosten des Umweltschutzes besitzt zunächst zwei zentrale Vorteile. Zum einen wird das Freifahrerproblem gelöst, da nur diejenigen vom Umweltschutz in einer Gebietskörperschaft profitieren, die dort ihren Wohn- oder Betriebsstandort besitzen. Zum anderen können von seiten der Gebietskörperschaften nur dann Wirtschaftsubjekte als Steuerzahler gewonnen und gehalten werden, wenn die Umweltschutzmaßnahmen den Bürgerpräferenzen entsprechen. Je deutlicher die Umweltpolitik der Gebietskörperschaft den Präferenzen der Bürger nicht entspricht, desto stärker kommt es zu Abwanderungen, d. h. Wirtschaftssubjekte stimmen „mit den Füßen“ darüber ab, welches Angebot an öffentlichen Gütern sie wünschen. Da Gruppen mit ähnlichen Vorstellungen auch Gebietskörperschaften mit einer entsprechenden Umweltpolitik gemeinsam präferieren, nehmen Wohlfahrtsverluste durch die Überstimmung von Minderheiten in den Gebietskörperschaften ab.
Eine vor dem Hintergrund des Nutzens von Umweltschutzmaßnahmen angepaßte dezentralisierte Umweltpolitik schafft den Wirtschaftssubjekten Möglichkeiten, zwischen verschiedenen Anbietern von öffentlichen Gütern zu wählen. Wahlmöglichkeiten stehen offen, solange sich die räumliche Reichweite öffentlicher Umweltfunktionen nicht auf das gesamte staatliche Territorium der Versorgungsbereich öffentlicher Umweltgüter ist (lokale öffentliche Güter). Umgekehrt nehmen sie ab, je internationaler und globaler der Nutzen ist, den die öffentlichen Güter stiften.
Die Ausschlußmöglichkeit sowie die Wahl-und Substitutionsspielräume initiieren einen Wettbewerbsprozeß zwischen den Gebietskörperschaften, die mobile Bürger oder Unternehmen an sich binden müssen, um die Produktionskosten ihrer öffentlichen Güter zu decken. Dies führt zu Wettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften einer Hierarchiestufe, d. h. auf der Ebene lokal öffentlicher Güter zu einem Wettbewerb lokaler Gebietskörperschaften, auf der Stufe regionaler und nationaler öffentlicher Güter zu einem Wettbewerb von Kommunen und Regionen. Voraussetzung ist allerdings, daß die Reichweite des Nutzens der öffentlichen Güter in etwa mit den Grenzen der Gebietskörperschaft übereinstimmt und somit jene Umweltschutz finanzieren, die von ihm profitieren. Der Wettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften fördert das Interesse an Kostenkontrolle sowie an Umweltschutzmaßnahmen, die von den Bürgern gewünscht werden. Darüber hinaus werden im Gegensatz zu zentralistischen Modellen stärker unabhängige und dezentrale Suchprozesse begünstigt, die zu institutionellen Neuerungen und Innovationen im Umweltschutz führen, weil beispielsweise der Einsatz ökonomischer Instrumente des Umweltschutzes im Wettbewerb um Ansiedlungen Vorteile mobilisieren kann. Diese Anreizeffekte einerseits und die Disziplinierungseffekte gegenüber den politischen Entscheidungsträgern andererseits sind um so ausgeprägter, je mobiler die Nutzer öffentlicher Güter (Haushalte, Unternehmen) sind und je weniger es für die Gebietskörperschaft möglich ist, über die Besteuerung immobiler Faktoren (z. B. Grund und Boden) ausreichende Finanzierungsquellen zu erschließen.
Im Verlaufe des Wettbewerbsprozesses werden umweltintensive Industrien in Regionen abwandern, die vergleichsweise geringe umweltpolitische Standards setzen. Soweit dieser Vorgang etwa auf unterschiedlichen Kostenstrukturen (z. B. aufgrund unterschiedlicher Ausgangsbelastungen) beruht, ist er ökonomisch vorteilhaft. Vorzugsweise werden davon Regionen profitieren, die relativ gut mit knappen Umweltgütern ausgestattet sind und deshalb über komparative Kostenvorteile verfügen. Es wird allerdings die Gefahr „ruinöser“ Konkurrenz hervorgehoben, bei der im Zuge des Wettbewerbs um Unternehmen und Investitionen sich überall die Umweltschutzmaßnahmen auf dem niedrigsten Niveau einpendeln.
Dagegen spricht allerdings, daß laufend abnehmende Umweltqualität: häufig in der Zukunft einen Sanierungsbedarf hervorruft, dessen Kosten die Aufwendungen für Emissionsvermeidung und Umweltschutz (z. B. bei zahlreichen Altlasten) übersteigen; auch die Standortattraktivität für Unternehmen reduziert, weil zahlreiche Dienstleistungsunternehmen und andere weniger umweltintensiv produzierende Branchen Räume mit ausgeprägter Umweltqualität präferieren; zu Einwanderungen umweltintensiv produzierender Branchen führt, die häufig Verlierer im Strukturwandel sind und deshalb keine dauerhaften Einkommens-und Beschäftigungsvorteile bieten.
In demokratisch verfaßten Staaten ist zudem hervorzuheben, daß demokratische Institutionen dafür sorgen, daß die nationale Umweltpolitik (Versorgung mit national öffentlichen Gütern, Internalisierung nationaler Externalitäten) laufend Anreize erhält, sowohl die Gewinne einer restriktiven Umweltpolitik (Versorgung mit Umweltgütern, Gesundheitsschutz etc.) als auch deren Nachteile (z. B. Verlust an Beschäftigung und Verzicht auf andere Güter) zu berücksichtigen.
Weiterführende Literatur:
Coase, R.: The Problem of Social Cost, in: Journal of Law and Economics, Vol. 3, o. 0. 1960; Callan, S. J./ Thomas, J. M.: Environmental Economics and Management. Theory, Policy and Applications, Chicago u. a. 1996; Karl, H.: Ökologie, individuelle Freiheit und wirtschaftliches Wachstum. Umweltpolitik in der Marktwirtschaft, in: Cassel, D.(Hrsg.): 50 Jahre Soziale Marktwirtschaft, Stuttgart 1998; Krautkraemer, J. A.: Nonrenewable Rescource Scarcity, in: Journal of Economic
Literature, Vol. 36, o. O. 1998; Oates, W. E./ Schwab, R. M: The Theory of Regulatory Federalism: The Case of Environmental Management, in: The Economics of Environmental Regulation, hrsg. v. Oates, W. E., o. O. 1996.
umfasst alle Massnahmen, mit denen · dem Menschen eine Umwelt gesichert wird, wie er sie für seine Gesundheit und ein menschenwürdiges Dasein benötigt, · Boden, Luft und Wasser, Pflanzen- und Tierwelt vor nachteiligen Wirkungen menschlicher Eingriffe geschützt werden, · Schäden und Nachteile, die aus menschlichen Eingriffen entstanden sind, beseitigt werden. Soweit diese Ziele von Seiten des Staates verfolgt werden, sind sie Bestandteil der staatlichen Umweltpolitik.
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