1. Grundlagen Der Begriff „Dienstleistungsmanagement” („Service Management”) beschreibt die zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung von -Dienstleistungen. Die Besonderheiten des Dienstleistungsmanagements ergeben sich insbesondere aus der Mitwirkung des Kunden bei der Leistungserstellung (Kundenintegration): Die Kundenintegration erfordert zum einen die Einbeziehung des Kunden im Rahmen der Spezifizierung und Erstellung der konkreten Dienstleistung, beeinflusst zum anderen aber auch die Entscheidungen des Dienstleistungsanbieters im Rahmen der Bereitstellung seiner allgemeinen Leistungsbereitschaft. Im Dienstleistungsmanagement unterscheidet man als potenzielle Ansatzpunkte für die Gestaltungs-, Steuerungs- und Entwicklungsaufgaben:
(1) Das Dienstleistungsergebnis (Leistungsergebnis),
(2) den Ablauf der Dienstleistungserstellung (Leistungserstellungsprozess) und
(3) die vorab vom Dienstleistungsanbieter bereitgestellten Faktoren (Gebäude, Personal etc.) (Leistungspotenzial). Da sich das angebotene Dienstleistungsergebnis (Dienstleistungsprodukt) primär aus Entscheidungen auf der Ebene des Leistungspotenzials und des Leistungserstellungsprozesses ergibt, reduzieren sich die faktischen Ansatzpunkte des Dienstleistungsmanagements auf diese beiden Dimensionen. Sie bilden die Grundlage für die Durchführung der folgenden Aufgaben:
(1) Gestaltungsaufgabe, d.h. die Analyse, Konzeption und Implementierung einer Dienstleistung.
(2) Steuerungsaufgabe, d.h. die Analyse der Abweichungen des Ist- vom Soll-Zustand, die Ergreifung entsprechender (Gegen-)Massnahmen sowie die Kontrolle des Erfolges der Dienstleistung.
(3) Entwicklungsaufgabe, d.h. die Weiterentwicklung der Dienstleistung sowie die Schaffung und Anpassung der notwendigen Rahmenbedingungen. Diese drei Managementaufgaben lassen sich, wie in Abbildung 1 dargestellt, anhand von zwei weiteren Perspektiven konkretisieren.
2. Perspektiven des Dienstleistungsmanagements a) Strategisches und operatives Dienstleistungsmanagement Die Ziele des Dienstleistungsunternehmens (z.B. Gewinnmaximierung) werden im Rahmen des strategischen Dienstleistungsmanagements durch ein Management der Wettbewerbsvorteile und der Kernkompetenzen umgesetzt. In einem ersten Schritt sind Erfolgspotenziale für die Vermarktung der Dienstleistung zu identifizieren und entsprechende Geschäftsmodelle zu entwickeln. Hierbei ist insbesondere die Frage zu klären, wie der Prozess der Wertschöpfung des Unternehmens konfiguriert werden soll, um einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil zu erzielen (Gestaltungsaufgabe). Je nach Branche können die Dienstleistungsprozesse als Wertkette, Wertshop oder Wertnetzwerk konzeptionalisiert werden. Ein weiterer Aspekt der Wettbewerbsstrategie eines Dienstleistungsanbieters besteht in der Entscheidung über die Standardisierung oder Individualisierung der Dienstleistung. In einem zweiten Schritt sind dann die Kernkompetenzen zu betrachten: Im Hinblick auf den Leistungserstellungsprozess sind Entscheidungen zu treffen, wie die notwendigen Fähigkeiten zur Abwicklung des Prozesses (Prozesskompetenz) und die Fähigkeiten zur Integration des Kunden in die Leistungserstellung (Integrationskompetenz) aufgebaut werden sollen. Im Hinblick auf das Leistungspotenzial sind Entscheidungen zu fällen, wie Ressourcen mit einer ausreichenden Flexibilität bereitgestellt werden können. Die Aufgabe des operativen Dienstleistungsmanagements ist es, die strategischen Entscheidungen durch Einzelmassnahmen auf der Ebene der Marktsegmente, der Geschäftsbeziehung oder der Einzeltransaktion zu konkretisieren bzw. auszugestalten. Zielgrössen sind hierbei sowohl die Effektivität als auch die Effizienz. Die wahrgenommene Dienstleistungsqualität, der gestiftete Nutzen sowie die Kundenzufriedenheit stellen häufig verwendete Zielgrössen für die Effektivitätsbetrachtungen dar. Für Effizienzüberlegungen werden meist Produktivitäts- und Kostenkennzahlen herangezogen. Bezugsobjekte des operativen Dienstleistungsmanagements sind das spezifische Dienstleistungsangebot (Leistungsergebnis) sowie dessen organisatorische Rahmenbedingungen. b) Wettbewerbsdimensionen des Dienstleistungsmanagements Wettbewerb zwischen Anbietern einer Dienstleistung findet auf vier Dimensionen statt:
(1) Auf der Qualitätsdimension,
(2) auf der Kostendimension,
(3) auf der Zeitdimension und
(4) auf der Informationsdimension. Im Rahmen eines systematischen Dienstleistungsmanagements sind diese vier Wettbewerbsdimensionen in entsprechende Querschnittsfunktionen zu überführen.
3. Querschnittsfunktionen des Dienstleistungsmanagements a) Qualitätsmanagement Das Qualitätsmanagement umfasst die Gesamtheit der qualitätsbezogenen Tätigkeiten und Zielsetzungen eines Dienstleistungsunternehmens, d.h. sämtliche Planungs-, Durchführungs- und Kontrollaktivitäten, die auf die Sicherstellung einer hohen Dienstleistungsqualität abstellen. Voraussetzung für die Ableitung von qualitätssichernden und -verbessernden Massnahmen ist die Feststellung der Dienstleistungsqualität mittels unternehmen- und kundenorientierter Messansätze. Wichtige Messverfahren sind:
(1) die SERVQUAL-Methode (merkmalsorientierte Messung),
(2) die sequentielle Ereignismethode (ereignisorientierte Messung),
(3) die Analyse von Kundenbeschwerden (problemorientierte Messung) und
(4) der Fishbone-Ansatz (unternehmensorientierte Messung). Als umfassendes Modell zur Analyse der durch die Messansätze ermittelten Dienstleistungsqualität dient das sog. GAP-Modell („Lückenmodell”). Die Besonderheiten des Qualitätsmanagements von Dienstleistungen ergeben sich aus der Mitwirkung des Kunden im Dienstleistungsprozess:
(1) Da der Leistungserstellungsprozess der Dienstleistung ein (entscheidender) Teil der vom Kunden wahrgenommenen Dienstleistungsqualität ist (Prozessqualität), müssen auch die Aktivitäten im Rahmen des Dienstleistungsprozesses sowie deren Wirkungen auf den Kunden betrachtet und gestaltet werden. So sind z.B. Aspekte wie Freundlichkeit oder Flexibilität in die Qualitätsbetrachtungen mit einzubeziehen.
(2) Auch das Leistungspotenzial wird vom Kunden in die Qualitätsbewertung mit einbezogen, hier sind insbesondere die Erreichbarkeit bzw. Verfügbarkeit der Dienstleistung sowie die Dienstleistungsumgebung (Servicescape) von Bedeutung.
(3) Qualitätsschwankungen der vom Kunden in den Leistungserstellungsprozess eingebrachten externen Faktoren sind mitverantwortlich für die insgesamt wahrgenommene Dienstleistungsqualität (z.B. beeinflusst der Verschmutzungsgrad eines Kleidungsstücks die Sauberkeit am Ende des Prozesses einer chemischen Reinigung). b) Zeitmanagement Für die zeitliche Gestaltung, Steuerung und Entwicklung von Dienstleistungen werden aufgrund ihrer Besonderheiten (Kundenintegration) zwei Perspektiven zusammengeführt: Aus Anbieterperspektive werden (im Hinblick auf eine grösstmögliche Effizienz) objektive Zeitpunkte und -dauern zu Grunde gelegt (z.B. für die Planung von Ressourcen oder die Festlegung von zeitbezogenen Nutzungsentgelten). Aus Kundenperspektive (und damit für die Erzielung einer grösstmöglichen Effektivität durch den Anbieter) ist neben der objektiven Zeit auch das subjektive Zeitempfmden (Zeiterleben) des Kunden zu berücksichtigen. Ziel beider Perspektiven ist die Optimierung des zeitlichen Verlaufs einer Dienstleistung im Hinblick auf vier Zeittypen:
(1) Transferzeit, d.h. Zeiten der An- und Abfahrt;
(2) Abwicklungszeit, d.h. Zeiten für die formale Abwicklung des Prozesses;
(3) Transaktionszeit, d.h. Zeiten fit die faktische Durchführung des Leistungserstellungsprozesses;
(4) Wartezeit, in welcher der Kunde zur Verfügung stehen muss, ohne dass anderweitige Abwicklungen oder Transaktionen durchgeführt werden. Während bei Zeitspar-Dienstleistungen neben den in den meisten Fällen zu minimierenden Zeittypen
(1),
(2) und
(4) z.T. auch die Transaktionszeit
(3) minimiert werden sollte, stellt diese bei Zeitvertreib-Dienstleistungen eine Nutzen stiftende Grösse dar, die nicht primär Minimierungsbestrebungen unterworfen werden darf. c) Kosten- und Erlösmanagement Die Besonderheiten des Kosten- und Erlösmanagements von Dienstleistungen ergeben sich aus der Mitwirkung des Kunden im Dienstleistungsprozess. Bei der operativen Gestaltung der Erlöse (vgl. Preispolitik) müssen drei Besonderheiten beachtet werden:
(1) Bei der Individualisierung einer Dienstleistung wird die Preisbestimmung für den Anbieter aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit schwieriger, eröffnet für ihn aber einen preispolitischen Spielraum, um von einzelnen Kunden (-segmenten) individuelle Preise zu verlangen.
(2) Die Dienstleistung besteht vor Inanspruchnahme durch den Nachfrager nur als Leistungsversprechen, d.h. es liegt eine geringere Vergleichbarkeit für den Nachfrager vor (geringere Preistransparenz).
(3) Bei einer Externalisierung von Aktivitäten ver langt der Nachfrager eine Preisreduktion für die von ihm zusätzlich übernommenen Aktivitäten. Im Hinblick auf die Kostenerfassung und -zurechnung ergeben sich die folgenden Besonderheiten:
(1) Da sich Dienstleistungen i.A. durch einen hohen Anteil von Fixkosten auszeichnen, befasst sich das Kostenmanagement von Dienstleistungen insbesondere mit der Vermeidung von Bereitschaftskosten durch eine Optimierung der Auslastung der Kapazitäten (Yield-Management).
(2) Die Verrechnung der Gemeinkosten bei der Erstellung einer Dienstleistung sollte aufgrund des Prozesscharakters der Leistungserstellung bestmöglich über eine Prozesskostenrechnung abgewickelt werden. d) Informationsmanagement Aufgabe des Informationsmanagements ist die Gewinnung und Aufbereitung von Daten sowie die Speicherung und zweckorientierte Bereitstellung von Informationen. Hierbei fliessen zum einen die durch Marktforschung (oder aus vergangenen Transaktionen) erhobenen Daten in die Gestaltung des Leistungspotenzials ein (Potenzialinformationen). Für die Steuerung des Dienstleistungsprozesses sind zum anderen auch externe steuernde Prozessinformationen notwendig. Diese umfassen die Anforderungen des Nachfragers an den Ablauf der Erstellung einer Dienstleistung.
4. Das ServiceBlueprint als Instrument des operativen Dienstleistungsmanagements Ein effektives Instrument zur Analyse, Gestaltung und Steuerung von Dienstleistungen stellt das Ebenenkonzept des ServiceBlueprints dar. Ein ServiceBlueprint enthält die chronologische Darstellung aller im Leistungserstellungsprozess und im Leistungspotenzial einer Dienstleistung anfallenden Aktivitäten. Die Aktivitäten werden durch fünf sog. Linien einzelnen analytischen Ebenen zugeordnet (vgl. Dienstleistung). Durch die Betrachtung sowohl der Kunden- als auch der Anbieterperspektive ermöglicht das ServiceBlueprint eine integrative Analyse des Dienstleistungsprozesses: Einzelne Gestaltungsoptionen können in ihren Auswirkungen auf die Faktoren der Querschnittsfunktionen (Qualität, Zeit, Kosten, Informationen) dokumentiert und im Hinblick auf eine Optimierung analysiert werden. So können Dienstleistungsprozesse z.B. durch das Erweitern bzw. Verkürzen einzelner Aktivitätenbereiche entsprechend der Bedürfnisse des Nachfragers gestaltet werden:
(1) Eine Verschiebung der Interaktionslinie zwischen Anbieter und Nachfrager führt zu einer Änderung der Arbeitsteilung zwischen den beiden Parteien, d.h. entweder der Anbieter oder der Nachfrager übernehmen zusätzliche Aktivitäten (Internalisierung; Externalisierung).
(2) Eine Erweiterung des sichtbaren Bereichs (zusätzliche Aktivitäten oberhalb der Sichtbarkeitslinie) bietet dem Nachfrager breitere Bewertungsmöglichkeiten z.B. im Hinblick auf die Dienstleistungsqualität.
(3) Eine stärker autonome Disposition führt zu einer Standardisierung der Dienstleistung: Es werden mehr Aktivitäten unterhalb der Vorplanungslinie im standardisierten Leistungspotenzial und weniger im integrativen Leistungserstellungsprozess durchgeführt. Hinweis Zu den angrenzenden Wissensgebieten siehe Benchmarking, Category Management, Customer Relationship Management (CRM), Dienstleistungen (Services), Dienstleistungscontrolling, E-Commerce, Efficient Consumer Response, Electronic Procurement, Industriegütermarketing, Kommunikationspolitik, Konsumentenverhalten, Kundenzufriedenheit, Marketing, Grundlagen, Marketing, Internationales, Marktforschung, Preispolitik, Produktpolitik, Vertriebspolitik.
Literatur: Bruhn, M./Meffert, H. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmanagement. Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung, 2. Auflage, Wiesbaden 2001; Bruhn, M./Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsqualität. Konzepte, Methoden, Erfahrungen, Wiesbaden 2000; Corsten, H.: Dienstleistungsmanagement, 4. Auflage, München 2001; Fliess, S.: Prozessorganisation in Dienstleistungsunternehmen, Stuttgart 2006; Fliess, S.: Die Steuerung von Kundenintegrationsprozessen. Effizienz in Dienstleistungsunternehmen, Wiesbaden 2001; Fliess, S./Kleinaltenkamp, M.: Blueprinting the Service Company: Managing Service Processes Efficiently; in: Journal of Business Research, Vol. 57 (2004), No. 4, S. 392-404; Grönroos, C.: Service management and marketing: A customer relationship management approach, Chichester 2000; Kleinaltenkamp, M: Integrativität als Kern einer umfassenden Leistungslehre; in: Marktleistung und Wettbewerb: Strategische und operative Perspektiven der marktorientierten Leistungsgestaltung, hrsg. von K. Backhaus/B. Günter/M. Kleinaltenkamp/W. Plinke/H. Raff6e, Wiesbaden 1997, S. 83-115; Meffert, H./Bruhn, M.: Dienstleistungsmarketing. Grundlagen, Konzepte, Methoden, 4. Auflage, Wiesbaden 2003; Meyer, A. (Hrsg.): Handbuch Dienstleistungsmarketing, Band 1 und 2, Stuttgart 1998; Zeithaml, V./Bitner, M.: Services marketing: Integrating customer focus across the firm, 2nd Edition, Boston 2000; sowie die jährlich von M. Bruhn und B. Stauss im Gabler Verlag herausgegebene Buch-Reihe „Forum Dienstleistungsmanagement” (ehemals „Jahrbuch Dienstleistungsmanagement”). Internetadressen: (Forschungsinstitutionen) http://www.servsig.org/, http://www.rhsmith.umd.edu/ ces/index.html, http://wpcarey.asu.edu/cs1/, http://www.ctf.kau.se/
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