Bei der Kundenwert-analyse wird untersucht, wie hoch der diskontierte Einzahlungsüberschuss (Barwert) ist, den ein Kunde über die gesamte Zeit seiner Beziehung zum Unternehmen zum Unternehmenserfolg beiträgt. Oder im Sinne von Customer Value gibt der Kundenwert den individuellen Nutzwert an, den der Kunde einem Angebot beimisst. Kundenbindungsmanagement
Grundlage für die Selektion nach attraktiven Kundenbeziehungen ist eine verursachungsgerechte Kostenzuordnung. Wegen des in vielen Bereichen wachsenden Gemeinkostenanteils an den Gesamtkosten ist der Einsatz der Prozesskostenrechnung notwendig. Attraktive Kundenbeziehungen zeichnen sich nicht nur durch eine hohe Nachfrage nach Leistungen mit hohem Ergebnisbeitrag aus, sondern sind auch langfristig ausgelegt (Kundenloyalität). Die Summe der dauerhaften Kundenbeziehungen weist dabei den Charakter eines immateriellen Vermögenswerts auf. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich gegebenenfalls relevante Impulse bei der Bewertung von so genannten Alt- und Neukunden. Charakteristisch für die bisher vorliegenden Ansätze ist eine kunden(-gruppen)bezogene Darstellung der Umsätze, Vollkosten und Ergebnisbeiträge im Sinne einer Investitionsrechnung. In Verbindung mit den Akquisitionskosten und dem Kundenlebenszyklus wird so der Kundenwert (Kundenprofitabilität) ermittelt.
Anteil eines Kunden am Erfolg eines Unternehmens. Der Wert ist entweder an seinem Umsatzvolumen oder seinem Deckungsbeitrag (Umsatz minus kundenbezogene Kosten) zu messen. Anhand einer ABC-Analyse oder einer Kunden-Portfolio-Analyse kann dann mit Hilfe dieser Daten die Kundenstruktur untersucht werden. Schlechter zu ermitteln, aber ebenso wichtig sind Beiträge zur Imagesteigerung des Unternehmens (z. B. von Referenzkunden oder durch Weiterempfehlung). Die Messung des Kundenwertes liefert eine wichtige Grundlage zum Aufbau eines erfolgreichen Kundenbindungsmanagements.
(auch Customer-Lifetime-Value; in €)
Kundenwert nennt man im Marketing den „Lebenszeitwert“, der den Gewinnbeitrag pro Kunde innerhalb der voraussichtlichen Dauer einer Kundenbeziehung abschätzt. Damit gibt der Kundenwert an, wie viel Deckungsbeitrag über die gesamte Dauer der Beziehung zu einem Kunden erwirtschaftet werden kann.
Der Kundenwertansatz ist in seiner komplexeren Form ein dynamisches Konzept, das auf der Kapitalwertmethode basiert und der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Geschäftsbeziehungen dient. Dabei werden zukünftige Ein- und Auszahlungen, die sich durch eine Kundenbeziehung ergeben, prognostiziert, mit einem Kalkulationszinsfuß abgezinst und aufaddiert. Anhand des sich daraus ergebenden Kapitalwertes kann die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden im Hinblick auf ihre Profitabilität beurteilt werden.
Die nachfolgende Grafik verdeutlicht den Verlauf des Kundenwertes mit der Dauer der Kundenbeziehung:
Den Kundenwertansatz nutzen in erster Linie Unternehmen, die über umfangreiche sowie aussagefähige Kundendaten verfügen (z. B. Versicherungen, Banken, Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen und Energieversorger). Diese Firmen verfügen aus Sicht der Kunden über ein im Vergleich zur Konkurrenz nur schwer differenzierbares Leistungsspektrum. Vor diesem Hintergrund ist beim Kunden eine hohe Bereitschaft festzustellen, den Anbieter zu wechseln. Entsprechend hoch sind die Aufwendungen für Akquisition, Kundenbindung und Kundenrückgewinnung. Die Kundenwertbetrachtung soll in diesem Zusammenhang zum ökonomischen Einsatz der Ressourcen und damit zu einem rentablen Management der Kundenbeziehung beitragen.
Beispiel
· Ein Unternehmen erwirtschaftet im Betrachtungszeitraum einen Gesamtdeckungsbeitrag von
1. 250.000 € und weist einen durchschnittlichen Kundenbestand von
2. 500 Kunden auf. Die durchschnittliche Kundenverweildauer liegt bei 5 Jahren. Damit beträgt der durchschnittliche Kundenwert für fünf Jahre pro Kunde
2. 500 €, die sich aus der Division von
1. 250.000 € durch die Zahl der
2. 500 Kunden ergibt. Im Jahresdurchschnitt brachte jeder Kunden dem Unternehmen mithin einen Deckungsbeitrag von 500 € (Jahreskundenwert).
· Nach einer Studie der Boston Consulting Group ergeben sich folgende durchschnittliche Kundenwerte in verschiedenen Produktkategorien:
· Tabelle 2 lässt sich entnehmen, dass in zahlreichen Branchen nur ein Teil des möglichen Lebensumsatzes realisiert wird, d. h. den Unternehmen infolge der Abwanderung von Kunden, die zum größten Teil auf deren Unzufriedenheit zurückzuführen sein dürfte, erhebliche Umsätze verloren gehen. Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Entwicklung im Telekommunikationssektor: Herrschte zum Untersuchungszeitpunkt in dieser Branche noch eine Monopolsituation, so ist die Deutsche Telekom mittlerweile von heftigen Abwanderungsbewegungen betroffen.
· Im Rahmen der TARP-Studien (Technical Assistance Research Program) wurde festgestellt, dass ein durchschnittlicher Verbraucher über sein ganzes Leben hinweg betrachtet einen Umsatz von 150.000 € für die Automobilindustrie bedeutet. Für den Lebensmitteleinzelhandel wurde ein Kundenlebensumsatz von 130.000 € festgestellt.
· Ein weiteres Beispiel soll den Rechenweg auf Basis der Kapitalwertmethode und damit den komplexeren Ansatz verdeutlichen: Ein Kunde kauft im Januar 2008 bei einem Autohändler einen Kleinwagen. Der Vertriebsleiter möchte den Customer-Lifetime-Value dieses Kunden auf einen Horizont von 10 Jahren berechnen. Hierzu zieht er den folgenden Auszug über den „typischen“ Kleinwagenkunden aus der Vertriebsabteilung heran.
Der Kundenwert des Kunden beträgt
1. 426,10 € und berechnet sich folgendermaßen:
Tabelle
4. Schema zur Berechnung des quantitativen Kundenwerts (alle Angaben außer Abzinsungsfaktor in €)
Quelle
· Der zur Berechnung des Deckungsbeitrags erforderliche Umsatz aller Produkte nach Erlösschmälerungen ist der Summen- und Saldenliste zu entnehmen.
· Die Ermittlung der variablen Kosten setzt grundsätzlich eine Deckungsbeitragsrechnung mit Trennung in variable und fixe Kosten voraus. Im Handel können die variablen Kosten durch den Einsatz eines Warenwirtschaftssystems überschlägig ermittelt werden.
· Will man den Kundenwert einzelner Kunden berechnen, müssen die Kundendeckungsbeiträge in der Vertriebsabteilung ermittelt werden. Auch hier gestaltet sich die Ermittlung im Handel wesentlich einfacher, da ein leistungsfähiges Warenwirtschaftssystem in der Lage ist, die Deckungsbeiträge nach Kunden getrennt zu ermitteln.
· Die Anzahl der Kunden und die Kundenverweildauer sind der Kundendatenbank zu entnehmen. Eine solche Datenbank sollte grundsätzlich folgende Basisinformationen enthalten, die es nach unternehmensspezifischen Gegebenheiten sowie jeweiligem Analysezweck zu ergänzen gilt:
- Kundenstatus (potenzieller Kunde, Neukunde, Stammkunde, abgewanderter Kunde)
- Kundenadresse
- Geburtsdatum (wichtig als Anknüpfungspunkt für erneute Kontaktaufnahme sowie für Aufspüren altersspezifischer Bedürfnisstrukturen)
- Dauer der Beziehung zum Kunden
- Zeitpunkt des letzten Kontakts/Kaufs
- Kommunikationskanal (Schaufenster/Ausstellung, Mundpropaganda, Anzeige, Werbespot, Prospekt, Direct-Mail, Messe-Kontakt, Gelbe Seiten, Internet, Preisausschreiben)
- Ansprechpartner im eigenen Haus (Liste mit Abteilungen oder Mitarbeitern vorgeben)
- gegebenenfalls Angebote, Angebotserfolg, Ablehnungsgründe, Aufträge an Hauptwettbewerber
- Bei Neukunden und Stammkunden: gekaufte Produkte und Zeitpunkt des (letzten) Kaufs; Umsatzvolumen des Kunden (falls möglich, Umsatzgrößenklassen vorgeben); weitere entscheidungsrelevante Eigenschaften des Kunden (z. B. Preissensibilität, Qualitätsbewusstsein)
- Bei abgewanderten Kunden: Gründe für die Abwanderung, Abwanderung zu welchen Wettbewerbern
- Gegebenenfalls muss die Kundenverweildauer durch Einschätzung erfahrener Mitarbeiter erfolgen.
Interpretation
Zu den zentralen Zielen, die mit der Berechnung des Kundenwerts verbunden sind, zählen:
· Ermittlung des individuellen Kundenwertes
· Bewertung des individuellen Kundenpotenzials
· Ableitung von individuellen Maßnahmen zur Ausschöpfung des Kundenpotenzials
· Optimierung der Kundenbeziehungen auf ein optimales Kundenportfolio
Der Kundenwert ist vielseitig nutzbar, wie die folgenden beiden Beispiele zeigen:
· Den Mitarbeitern kann mit Hilfe dieser Kennzahl vor Augen geführt werden, was ein Kunde für das Unternehmen wert ist und welch fatale Folgen es hat, wenn er wegen Unzufriedenheit frühzeitig abwandert.
· Ein Unternehmen kann mit Hilfe des Kundenwertes berechnen, inwieweit Kulanz gewährt werden soll. So kann beispielsweise die Frage beantwortet werden, ob es sinnvoll ist, auf eine Kulanzregelung in Höhe von
1. 000 € zu verzichten, wenn mit diesem Kunden ein Wert von 100.000 € verknüpft ist. Ähnlich gelagert ist der Fall, wenn es darum geht, ob, und, falls ja, mit welchem finanziellen Aufwand ein Kunde zurückgewonnen werden soll. Schließlich kann es durchaus sinnvoll sein, sich von Kunden mit einem geringen bzw. niedrigen Kundenwert zu trennen und die vorhandenen Ressourcen auf lukrativere Zielgruppen zu fokussieren.
Maßnahmen zur Beeinflussung
Der Wert eines Kunden kann durch drei Maßnahmenbündel gesteigert werden:
· Verlängerung der Kundenverweildauer durch Erhöhung der Kundenzufriedenheit und/oder Einsatz der ökonomischen, juristischen, technologischen und sozialen Instrumente der Kundenbindung. Hierzu zählen u. a. der Aufbau persönlicher Verbindungen, die Unterhaltung von Kundenclubs, der Abschluss langfristiger Lieferverträge, die Förderung der Abnehmertreue durch entsprechende Rabattsysteme und Kundenkarten, die Einführung von Systemkonzepten (z. B. in der EDV) und die Erschwernis des Lieferantenwechsels durch technische Vorkehrungen (z. B. durch das Setzen von Standards)
· Erhöhung des Umsatzes mit dem Kunden durch Steigerung der Verwendungsintensität der gekauften Produkte und/oder Weckung bzw. Befriedigung zusätzlicher Bedürfnisse
· Senkung der durch den Kunden entstehenden variablen Kosten. Beispielsweise kann bei Kunden mit einem geringen Umsatz von persönlicher Betreuung durch den Außendienst auf Telefonverkauf umgestellt werden.
Grenzen
Die Berechnung des Kundenwerts basiert auf einer Betrachtung des jetzigen Zustandes. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass sich Kunden von ihrem Umsatzvolumen durchaus entwickeln können. Konkret bedeutet das nichts anderes, als dass Kunden, die vom heutigen Standpunkt einen geringen Kundenwert besitzen, durch gezielte Kundenentwicklung in Zukunft durchaus an Attraktivität gewinnen können.
Des Weiteren gestaltet es sich äußerst schwierig, die folgenden qualitativen Kundenwertfaktoren zu ermitteln:
· ausschöpfbares Up-Selling-Potenzial des Kunden (z. B. Entwicklung des Kunden hin zu einem höherwertigen Produkt)
· ausschöpfbares Cross-Selling-Potenzial des Kunden (Entwicklung des Kunden hin zu einem weiteren Produkt aus der Angebotspalette)
· Funktion des Kunden als Lead-Customer (= Meinungsführer in seinem Umfeld)
· Weiterempfehlungspotenzial (= positive Mundpropaganda in seinem Umfeld)
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