1. Charakterisierung der US-GAAP Die United States Generally Accepted Accounting Priniciples (US-GAAP) bezeichnen das US-amerikanische Regelungs- und Norrnensystem für die externe Rechnungslegung. Die US-GAAP sind weder gesetzlich geregelt noch einheitlich definiert. Sie setzen sich aus einer Vielzahl von allgemeinen Prinzipien und Einzelfallregelungen mit hohem Detaillierungsgrad (sog. rules-based accounting im Gegensatz zum principle-based accounting beim Jahresabschluss nach deutschem Recht) verschiedener privater Organisationen zusammen. Diese Regelungen weisen unterschiedliche Ebenen bezüglich ihrer Rechtsverbindlichkeit auf. Die Ebenen werden häufig im House of GAAP dargestellt. Die wichtigsten Regelungen der US-GAAP sind die Statements of Financial Accounting Standards (SFAS) der privaten standardsetzenden Institution des so genannten Financial Accounting Standards Board (FASB).
2. Zielsetzung und qualitative Anforderungen Zielsetzung und grundlegende Anforderungen der bereitgestellten Informationen eines Abschlusses nach US-GAAP werden in den Statements of Financial Accounting Concepts (CON) des FAS B erläutert. Demnach hat der Abschluss nach US-GAAP die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen an die Stakeholder eines Unternehmens zum Ziel, wobei die Investoren mit ihren Informationsinteressen massgeblich im Vordergrund stehen. Ausgehend von dieser Zielsetzung werden primäre Qualitätsanforderungen an Abschlussinformationen definiert und weiter konkretisiert. Im Mittelpunkt stehen die Anforderungen der Relevanz (relevance) und der Verlässlichkeit (reliability). Eine Information ist demnach relevant, wenn sie für Prognosen geeignet ist (predictive value) oder der Überprüfung vergangener Prognosen dient (feedback value). Zudem müssen die entsprechenden Informationen zeitnah publiziert werden (timeliness). Um zuverlässig zu sein, müssen Abschlussinformationen u.a. verifizierbar (verifiable) sein, die jeweiligen Sachverhalte getreu abbilden (representational faithfulness) und sie müssen frei von Vorurteilen sein (neutrality). Insgesamt hat ein Abschluss nach US-GAAP ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild (fair presentation) der finanziellen Lage eines Unternehmens wiederzugeben. Dieses Ziel gilt mit der Einhaltung der US-GAAP bei der Abschlusserstellung als erreicht. Anders als beim Jahresabschluss nach deutschem Recht besitzt ein Abschluss nach US-GAAP keine Ausschüttungsbemessungsfunktion und es besteht keinerlei Zusammenhang mit der steuerlichen Gewinnermittlung.
3. Abschlusseinheit Nach US-GAAP wird die wirtschaftliche Einheit als die relevante berichterstattende Einheit betrachtet, d.h. bei Unternehmensverbunden ist der Konzernabschluss des Mutterunternehmens der relevante Abschluss. Für Teilkonzerne sind Teilkonzernabschlüsse zu erstellen. Nur für nicht verbundene Unternehmen besitzt der Einzelabschluss Relevanz.
4. Bestandteile Ein Abschluss nach US-GAAP besteht aus einer Bilanz, einer Gewinn- und Verlustrechnung, einer Kapitalflussrechnung, einer Eigenkapitalveränderungsrechnung und einem Anhang, in dem erläuternde bzw. ergänzende Angaben, wie z.B. eine Segmentberichterstattung, enthalten sind.
5. Zentrale Bilanzierungsvorschriften a) Ansatzvorschriften In der Bilanz kommen Vermögenswerte (assets), Schulden (liablilities) und als Differenz zwischen beiden das Eigenkapital (equity) zum Ansatz. Ein Vermögenswert liegt vor, wenn aus einem vergangenen Ereignis ein künftiger Nutzenzufluss zu erwarten ist, den das Unternehmen kontrollieren kann. Verbindlichkeiten sind definiert als gegenwärtige Verpflichtungen gegenüber Dritten, die zu künftigen Nutzenabflüssen führen, die auf einem vergangenen Ereignis beruhen und denen sich das Unternehmen nicht entziehen kann. Für einen Ansatz in der Bilanz müssen sowohl assets als auch liabilities zuverlässig messbar und der Nutzenzufluss bzw. -abfluss muss wahrscheinlich sein. Für einzelne assets des Anlagevermögens bzw. des Umlaufvermögens sowie für Verbindlichkeiten, Eigenkapital und Rückstellungen finden sich in verschiedenen Statements of Financial Accounting Standards (SFAS) oder in anderen Vorschriften der US-GAAP ergänzende Regelungen zu bzw. Ausnahmen von den grundsätzlichen Ansatzvorschriften. Wesentliche explizite Ansatzverbote bestehen für Gründungs- und Ingangsetzungskosten sowie für den originären Goodwill (Konzernabschluss) auf der Aktivseite sowie für reine Innenverpflichtungen (Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber sich selbst, wie z.B. die Aufwandsrückstellungen im Jahresabschluss nach deutschem Recht) auf der Passivseite. b) Bewertungsvorschriften Für die Bewertung von Anlageverrnögen, Umlaufvermögen, Verbindlichkeiten, Eigenkapital und Rückstellungen ist in zahlreichen Einzelfallregelungen festgelegt, welcher Wertmassstab zur Anwendung kommt und wie Bewertungserfolge zu behandeln sind. Die Bewertung von assets hat grundsätzlich zu ihren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu erfolgen, die bei abnutzbaren assets gemäss dem Nutzenverzehr planmässig abzuschreiben sind. Bei bestimmten assets, wie z.B. Finanzinstrumenten, die zu Handelszwecken gehalten werden (Umlaufvermögen), ist der beizulegende Zeitwert (fair value) als Bewertungsmassstab relevant. Ausserplanmässige Abschreibungen werden bei Sachanlagen und immateriellen Vermögenswerten inklusive Goodwill durch Werthaltigkeitstests ermittelt (Anlagevermögen). Bei Vermögenswerten des Umlaufvermögens ist auf den Marktwert abzuschreiben, falls dieser niedriger ist als der Buchwert. Bewertungserfolge sind grundsätzlich in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen. In Ausnahmefällen, wie z.B. bei Finanzinstrumenten, die zur Veräusserung zur Verftigung stehen (available for sale securities; siehe auch Anlagevermögen), ist ein Erfolg aus einer Bewertung zum beizulegenden Zeitwert direkt im Eigenkapital zu erfassen. Verbindlichkeiten sind grundsätzlich zum Rückzahlungsbetrag zu bewerten. Die Bewertung von Rückstellungen erfolgt zum Betrag der bestmöglichen Schätzung des unter normalen Umständen zu erwartenden Nutzenabflusses. Bei Bandbreitenschätzungen entspricht dieser dem Wert mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit bzw., falls solche Wahrscheinlichkeiten nicht bestimmbar sind, dem geringsten Wert der Bandbreite. Liabilities mit einer Restlaufzeit von mehr als zwölf Monaten sind mit dem Marktzins zu diskontieren. c) Ausweisvorschriften Die US-GAAP selbst enthalten keine speziellen Gliederungsvorschriften. Nach der Regulation SX der Securities and Exchange Commission (SEC) hat in der Bilanz eine Differenzierung in kurz- und langfristige Vermögenswerte bzw. Schulden zu erfolgen. Dabei sind die Vermögenswerte nach abnehmender Liquidierungserwartung und die Schulden nach aufsteigender Laufzeit bzw. Fälligkeit zu gliedern. Die Gewinn- und Verlustrechnung ist nach dem Umsatzkostenverfahren zu erstellen. Im Anschluss an die Gewinn- und Verlustrechnung oder im Rahmen der Eigenkapitalveränderungsrechnung oder in einer gesonderten Rechnung ist das comprehensive income (Gesamtleistung) einer Periode darzustellen.
6. Bedeutung der US-GAAP a) Bedeutung für US-Unternehmen In den USA sind - im Gegensatz zu Deutschland - die Rechnungslegungsvorschriften nicht im Gesellschaftsrecht verankert. Die US-GAAP besitzen formal keine Gesetzeskraft. Sie sind aber dadurch faktisch verbindlich, dass ihre Einhaltung Voraussetzung für die Erteilung des Testats eines Wirtschaftsprüfers ist. Eine Prüfungspflicht besteht wiederum nach den Vorschriften der Securities and Exchange Commission (SEC) für US-Unternehmen - unabhängig von ihrer Rechtsform -, von denen Aktien (Aktiengesellschaft, einschliesslich Aktienarten) oder Schuldverschreibungen (Kreditfinanzierung, langfristige), an einer Börse in den USA, insbesondere an der New York Stock Exchange (NYSE) oder bei der National Association of Securities Dealers Automated Quotation System (NASDAQ) notiert sind. Diese Prüfungspflicht wurde 2002 durch den Sarbanes-Oxley Act of 2002 (SOX oder SOA) auch gesetzlich vorgeschrieben. b) Bedeutung für ausländische Unternehmen Bei den US-GAAP handelt es sich um nationale Standards, die auch international beträchtliche Beachtung finden. Gründe hierfür sind die Bedeutung des US-Kapitalmarkts, die strikte Investororientierung der Standards und die Erfordernis eines Benchmarking mit den zahlreichen und bedeutenden Global Players aus den USA. Für deutsche, österreichische und schweizerische Untemehmen sind die US-GAAP insbesondere im Rahmen eines Dual Listing an einer Börse in den USA relevant, da auch Nicht-US-Untemehmen durch ein Listing in den USA den Vorschriften der Securities and Exchange Commission (SEC) unterliegen. Zudem wurden z.B. in Deutschland börsennotierte Unternehmen ab 1998 von der Pflicht befreit, einen Konzemabschluss nach nationalen Vorschriften zu erstellen, wenn ein Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsregeln, wie z.B. US-GAAP, erstellt wurde. Seit 2005 ist diese Regelung allerdings aufgehoben worden und eine EU-Verordnung verpflichtet kapitalmarktorientierte Untemehmen, ihre Konzernabschlüsse nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) (Jahresabschluss nach IFRS) zu erstellen. Lediglich für Unternehmen, die an einer Börse in den USA gelistet sind (Dual Listing) existiert eine Übergangsregelung hinsichtlich der Pflichtanwendung der IFRS bis 2007. Zudem plant die Securities and Exchange Cotrunission (SEC), spätestens ab 2009 bei einem Listing an einer Börse in den USA auch IFRS-Abschlüsse zu akzeptieren. Dadurch wird die Bedeutung der US-GAAP international formal stark abnehmen. Zu beachten ist allerdings, dass sich zahlreiche Vorschriften der IFRS eng an die US-GAAP anlehnen und zum Teil mit nur wenigen Änderungen übernommen wurden. Dementsprechend bestehen auch nur noch wenige wesentliche Unterschiede zwischen diesen Normensystemen. Solche finden sich z.B. im Anwendungsbereich einer Bewertung zum beizulegenden Zeitwert und bei der Erfassung von immateriellen Vermögenswerten. Das Financial Accounting Standards Board (FASB) und das International Accounting Standards Board (IASB) verfolgen gemeinsam das Ziel, noch bestehende Unterschiede zu beseitigen (sog. „Konvergenzprojekt”). Hinweis Zu den angrenzenden Wissensgebieten siehe Anlagevermögen, Beteiligungscontrolling, Bilanzanalyse, Eigenkapital, Globalisierung, Internationale Rechnungslegung nach IFRS, Jahresabschluss nach deutschem Recht, Jahresabschluss nach schweizerischem Recht, Kapitalflussrechnung, Konzernabschluss, Portfoliomanagement, Rating-Methoden, kreditwirtschaftliehe, Risikocontrolling, Rückstellungen, Sonderbilanzen, Steuerrecht, Internationales, Swiss GAAP FER, Umlaufvermögen, Währungsmanagement.
Literatur: Ballwieser, W. (Hrsg.), US-amerikanische Rechnungslegung, Grundlagen und Vergleiche mit deutschem Recht, 4. Aufl., Stuttgart 2000; Coenenberg, A. G., Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, Betriebswirtschaftliche, handelsrechtliche, steuerrechtliche und internationale Grundsätze - HGB, IAS/IFRS, US-GAAP, DRS, 20. Aufl., Stuttgart 2005; Haller, A., Die Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, Unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen, institutionellen und theoretischen Rahmenbedingungen, 4. Aufl., Stuttgart 1994; KPMG (Hrsg.), Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, Grundlagen der US-GAAP und SEC-Vorschriften, 3. Aufl., Düsseldorf 2003; Kieso, D./Weygandt, J./Warfield, T., Intermediate Accounting, 1 1 th ed., New York 2005; Kuhlewind, A.-M., Grundlagen einer Bilanzrechtstheorie in den USA, Frankfurt/Main 1997; Niehus, R./Thyll, A., Konzernabschluss nach US-GAAP, 3. Aufl., Stuttgart 2002; Schildbach, T., US-GAAP, Amerikanische Rechnungslegung und ihre Grundlagen, 2. Aufl., München 2002; Wüstemann, J., Gernerally accepted accounting principles, Zur Bedeutung und Systembildung der Rechnungslegungsregeln der USA, Berlin 1999. Internet: (Organisationen) http://www.fasb.org, http://www.aicpa.org, http://www.sec.gov, http:// aaahq.org, http://www.iasb.org, (Wortlaut der SFAS, CON, FIN und der FASB Technical Bulletins) http://www.fasb.org/st, (Börsen) http://www.nyse.com, http://www.nasdaq.com, (bei der SEC eingereichte Konzernabschlüsse) http://www.sec.gov/edgar.shtml.
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