1. Begriff Industriemanagement ist die betriebswirtschaftliche Leitung und Führung eines im Produzierenden Gewerbe tätigen Unternehmens einschliesslich der hiermit verbundenen Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle der Geschäftsprozesse (siehe auch Prozessmanagement). Ein Industrieunternehmen wird dabei als Produktionssystem betrachtet, das in eine natürliche, politisch-rechtliche, wirtschaftliche, technologische und soziokulturelle Umwelt eingebettet ist und aus Inputfaktoren (Arbeit, Betriebsmittel, Werkstoffe) wertgesteigerten Output (Güter, Dienstleistungen) hervorbringt. Das Industriemanagement ist neben der betriebswirtschaftlichen Sicht von interdisziplinären Erkenntnissen geprägt, z.B. aus der Volkswirtschaftslehre, der Informatik, der Mathematik und Statistik, der Soziologie und Psychologie, den Ingenieurwissenschaften und den Rechtswissenschaften.
2. Abgrenzung der Industrieunternehmen Die Industrie ist ein Wirtschaftszweig, dessen Unternehmen die gewerbliche Be- und Verarbeitung von Rohstoffen und Halbfabrikaten mittels physikalischen, chemischen und biologischen Verfahren zu Produktions- oder Konsumgütern unter Verwendung von Produktionsfaktoren zum Gegenstand haben (Industrieunternehmen). Die amtliche Statistik der Bundesrepublik Deutschland fasst die Industrie und das Produzierende Handwerk unter dem Produzierenden Gewerbe zusammen, das die Teilbereiche Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Verarbeitendes Gewerbe, Energie- und Wasserversorgung sowie Baugewerbe umfasst. Das Verarbeitende Gewerbe beschäftigt in rund 46.000 Unternehmen annähernd 6 Millionen Mitarbeiter und erzielt dabei einen Umsatz von über 1,4 Billionen Euro. Die nach Umsatz und Beschäftigtenzahl grössten Industriebranchen sind der Maschinen- und Anlagenbau, die Elektrotechnik und Elektronik, der Fahrzeugbau, das Ernährungsgewerbe, die Chemie und das Baugewerbe. Es lässt sich mit Hilfe von dominierenden Merkmalen eine sinnvolle Zuordnung von Unternehmen zur Industrie und damit auch eine Abgrenzung zum Handwerk vornehmen:
(1) Es handelt sich um einen Gewerbebetrieb.
(2) Es werden (überwiegend) Sachgüter produziert.
(3) Die Produktionsprozesse sind weitgehend automatisiert.
(4) Die betriebliche Organisation ist durch ein hohes Mass an Arbeitsteilung, Spezialisierung und Rationalisierung gekennzeichnet.
(5) Die Produkte werden in der Regel auf grossen Märkten abgesetzt. Obwohl die Sachgüterproduktion als Abgrenzung zu Handels- oder Dienstleistungsunternehmen das zentrale Charakteristikum darstellt, wird das Güterangebot von Industrieunternehmen zunehmend durch Handelswaren und Dienstleistungen (z.B. Wartung, Schulung, Beratung) ergänzt.
3. Management von Industrieunternehmen Aufgabe eines Managers ist die Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle von Massnahmen zum Wohl des Unternehmens und aller am Unternehmensgeschehen Beteiligten unter Einsatz der zur Verfügung stehenden betrieblichen Ressourcen. Das Management kann aus institutioneller oder aus funktionaler Sicht betrachtet werden. a) Management als Institution Das Management eines Industrieunternehmens umfasst als Institution die Gesamtheit jener Personen bzw. organisatorischer Einheiten, die Führungsaufgaben wahrnehmen und mit weit reichenden Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind (siehe auch Entscheidung, betriebswirtschaftliche). Führungskräfte sind alle Mitarbeiter, die mit leitenden Aufgaben betraut sind und (überwiegend) die Interessen des Arbeitgebers vertreten. Die institutionelle Sicht führt üblicherweise zu einer Struktur unterschiedlicher Leitungsebenen:
(1) Top-Management: Diese Ebene besteht im Allgemeinen aus der Unternehmensleitung (Vorstand, Geschäftsführung). Das Top-Management trifft die strategischen Entscheidungen, mit denen die langfristigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens geschaffen werden. Dies sind beispielsweise die Wahl der Geschäftsfelder, die Festlegung der Standorte oder die grundsätzliche Konzeption der Organisationsstruktur.
(2) Mittleres Management: Diese Ebene umfasst die dem Top-Management untergeordneten Führungskräfte wie z.B. die Werks-, Bereichs- oder Abteilungsleiter (siehe auch Leitender Angestellter). Sie treffen die mittelfristigen, taktischen Entscheidungen zur Verwirklichung der strategischen Ziele. Typische Beispiele sind die Weiterentwicklung der Produktionsinfrastruktur oder deren organisatorische Umgestaltung.
(3) Unteres Management: Vertreter der unteren Managementebene sind die Stellen- oder Gruppenleiter sowie die Meister und Vorarbeiter, die mit operativen Entscheidungen die taktischen Leistungspotenziale kurzfristig ausschöpfen und optimieren. Beispielsweise wird im Rahmen der operativen Produktionsplanung und -steuerung durch Zuordnung der Aufträge zu den Maschinen das Produktionsprogramm gefertigt. b) Management als Funktion Funktional umfasst das Industriemanagement alle Aufgaben und Tätigkeiten der Führungskräfte in den organisatorischen Bereichen des Unternehmens. Zu den betrieblichen Funktionen eines Industrieunternehmens zählen insbesondere:
(1) Forschung und Entwicklung: Erzeugung von Produkt- und Verfahrensinnovationen sowie deren Weiterentwicklung;
(2) Beschaffung und Logistik: Einkauf und Lagerung der zur Produktion benötigten Einsatzfaktoren sowie Optimierung des Güter- und Informationsflusses;
(3) Produktion: Herstellung von Gütern und Dienstleistungen aus natürlichen oder bereits produzierten Ausgangsstoffen durch Transformationsprozesse unter Einsatz von Produktionsfaktoren;
(4) Absatz: Marketing und Vertrieb von Gütern und Dienstleistungen gegen (zumeist) Geldleistungen;
(5) Personal und Organisation: Bereitstellung der geeigneten personellen Ressourcen zur Erreichung der Unternehmensziele;
(6) Rechnungswesen und Controlling: Erfassung und Auswertung aller finanzwirtschaftlich relevanten Zahlen sowie Ableitung von Entscheidungsgrundlagen für die Planung, Steuerung und Kontrolle des betrieblichen Geschehens;
(7) Information und Kommunikation: Entwicklung, Gestaltung und Lenkung des Informationsflusses durch entsprechende Informations- und Kommunikationssysteme;
(8) Qualitätsmanagement: Ganzheitliche Verbesserung der Produkt- und Prozessqualität durch interne und externe Bewertungen und Zertifizierungen;
(9) Umweltmanagement: Optimierung der Produktionsprozesse unter dem Aspekt eines nachhaltigen Wirtschaftens.
4. Einsatz von quantitativen Optimierungsmethoden Neben den traditionellen Managementtechniken hat die quantitative Modellierung und Lösung der industriellen Entscheidungsprobleme an erheblicher Bedeutung gewonnen. Dabei sollen dem Entscheidungsträger im Industrieunternehmen geeignete und möglichst optimale Vorschläge zur Erreichung der Unternehmensziele gegeben werden. Der hieraus entstandene Wissenschaftszweig des Operations Research befasst sich mit dieser entscheidungsorientierten Planungsmethodik und ist durch ein Zusammenwirken von Mathematik, Wirtschaftswissenschaften und Informatik gekennzeichnet. Viele praktische Fragestellungen, wie zum Beispiel die Bestimmung des kostenminimalen Produktionsprogramms oder die Erstellung des optimalen Transport- und Tourenplans, können heute mit ORVerfahren und entsprechenden Softwareprodukten gelöst werden. Hinweis Zu den angrenzenden Wissensgebieten und Methoden siehe Ablauforganisation, Aufbauorganisation, Analysemethoden, Beschaffungsmanagement, Controlling, ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning-Systeme), Entscheidung, betriebswirtschaftliche, Logistik, Materiallogistik, Operations Research, Optimierung, Organisation, Grundlagen, Produktion, Formen, Produktions- und Kostentheorie, Produktionsmanagement, Produktionsplanung und -steuerung, Prozessmanagement, Qualitätscontrolling, Qualitätsmanagement, Supply Chain Management, Total Quality Management, Unternehmensführung, Unternehmensplanung, Workflow Management.
Literatur: Corsten, H.: Produktionswirtschaft, 10. Aufl., München 2004; Eisenführ, F., Theuvsen, L.: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 4. Aufl., Stuttgart 2004; Ellinger, Th., Beuermann, G., Leisten, R.: Operations Research, 6. Aufl., Berlin 2003; Fries, H.-P.: Betriebswirtschaftslehre des Industriebetriebs, 5. Aufl., München 1999; Günther, H.-O., Tempelmeier, H.: Produktion und Logistik, 6. Aufl., Berlin 2005; Hansmann, K.-W.: Industrielles Management, 8. Aufl., München 2006; Heinen, E.: Industriebetriebslehre, 9. Aufl., Wiesbaden 1991; Kortzfleisch, G.-H. von: Industrielle und handwerkliche Produktionen, in: Kern, W., Schröder, H. H., Weber, J. (Hrsg.): Handwörterbuch der Produktionswirtschaft (HWProd), 2. Aufl., Stuttgart 1995; Macharzina, K., Wolf, J.: Unternehmensführung, 5. Aufl., Wiesbaden 2005; Nolden, R.-G., Körner, P., Bizer, E.: Management im Industriebetrieb, 5. Aufl., Troisdorf 2006; Staehle, W. H.: Management, 8. Aufl., München 1999; Steinmann, H., Schreyögg, G.: Management, 6. Aufl., Wiesbaden 2005; Wohinz, J. W.: Industrielles Management, Wien 2003 Internetadressen: http://www.bmwi.de/Navigation/Wirtschaft/industrie.html (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie); http://www.bdi-online.de (Bundesverband der Deutschen Industrie); http://www.dihk.de (Deutscher Industrie- und Handelskammertag); http://ec.europa.eu/enterprise/ index_de.htm (Europäische Kommission); http://www.euroma-online.org (European Operations Management Association); http://gor.uni-paderborn.de (Gesellschaft für Operations Research); http://www.produktion-und-logistik.de (P011,1 Prof. Tempelmeier GmbH); http://www.destatis.de/ themen/d/thm_prodgew.php (Statistisches Bundesamt); http://www.sussex.ae.uldUsers/dt31/TOMI/ index.html (Technology and Operations Management); http://www.unido.org (United Nations Industrial Development Organization)
Vorhergehender Fachbegriff: Industrielles Rechnungswesen | Nächster Fachbegriff: Industriemarke
Diesen Artikel der Redaktion als fehlerhaft melden & zur Bearbeitung vormerken
|
|