Steuerung der Tätigkeiten des Versicherungsunternehmens im Zusammenhang mit der marktlichen Verwertung der Versicherungsprodukte. Ein zentraler Unterschied zum Absatzbereich von Industrieunternehmen besteht in der Doppelnatur des Kunden als Käufer des Produktes und Schadenproduzent. Die Informationsseite des Versicherungsmarketing ist von daher aus um den Aspekt der Risikoforschung zu ergänzen. Der Aktionenraum des Versicherungsmarketing umfasst neben den klassischen Dimensionen Produkt-, Preis- (Prämiengestaltung), Distributions- und Kommunikationspolitik auch die versicherungsspezifische Komponente der Bestandspolitik, die zu Risikotransformationen und Risikoausgleich beiträgt. In der Distributionspolitik wird die Absatzverfahrenspolitik als bedeutendster Teilbereich angesehen. Zur Verfügung steht der Einsatz Zentraler Absatzorgane (Direktvertrieb), dezentraler unternehmenseigener Absatzorgane (Aussendienstangestellte), unternehmensgebundener Absatzorgane (Versicherungsvertreter in Form des Einfirmen-oder Konzernvertreters) und unternehmensfremder Absatzorgane (Mehrfirmenvertreter, Versicherungsmakler). In Deutschland überwiegt der Absatz durch dezentrale Absatzorgane; besondere Bedeutung geniessen Aussendienstangestellte und Konzernvertreter. In der Zukunft muss mit erheblichen Veränderungen im Versicherungsmarketing gerechnet werden: Die Einsetzbarkeit der Parameter Produkt- und Preispolitik wird liberalisiert (teilweiser Wegfall der Genehmigung von Produkten oder Tarifen durch die Aufsichtsbehörden), ebenso wird im Rahmen der Absatzverfahren der Direktvertrieb und der Einsatz von Versicherungsmaklern erheblich an Bedeutung gewinnen. Literatur: Albrecht, P., Zur Risikotransformationstheorie der Versicherung, Karlsruhe 1992. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre, Karlsruhe 1989. Schwake, E., Überlegungen zu einem risikoadäquaten Marketing als Steuerungskonzeption von Versicherungsunternehmen, Karlsruhe 1987.
Die Mehrzahl der Erklärungsansätze versicherungstypischer Marktleistungen ist juristischer Natur oder zumindest juristisch beeinflußt. Die allgemein als versicherungstypisch bezeichnete Marktleistung ist die Übernahme von Risiken, die andere Wirtschaftssubjekte nicht selbst zu tragen bereit sind.Versicherungsleistungenbeinhaltendie Übernahme der von Wirtschaftssubjekten auf Grund unvollkommener Voraussicht empfundenen Gefahr, angestrebte Ziele nicht realisieren zu können, verbunden mit dem Versprechen, b ei Realisation des Risikos eine Zahlung an den aus dem Versicherungsvertrag Begünstigten zu leisten. Daraus ergeben sich folgende Merkmale des Leistungskerns Versicherungsschutz: abstrakt eine momentan nicht realisierbare Leistung kein Angebot eines konkreten Gegenwerts meist längerfristige Vertragsbindung hinsichtlich seines Angebots beliebig vermehrbar deckt nur einen schwer faßbaren Zukunftsbedarf Als Konsequenzen ergeben sich hieraus: Erklärungsbedürftigkeit Schwerverkäuflichkeit vergleichsweise geringe Konsumneigung und daraus ableitbar die totale Konkurrenz zu den einen eher faßbaren Nutzen als den des „peace of mind“ bietenden Konsum- und Verbrauchsgütern der Versicherungsschutz ist kein selbstwerbendes Gut. Diese Eigenheiten und ihre Konsequenzen sind nicht dazu angetan, absatzfördernd zu wirken und damit eine besondere Herausforderung für das Versicherungs-Marketing. Erschwerend kommt hinzu, dass die Versicherungswirtschaft über ein breites und tiefes Leistungssortiment verfügt. Neben 19 Hauptversicherungszweigen (ausgewählt nach internationaler Bedeutung, Umsatzgröße, wirtschaftlicher Relevanz und Rangstufe in der Bedürfnisskala der Versicherungsinteressenten) mit 228 Unterarten, werden von den Versicherungen außerdem ca. 50 Nebenversicherungen (geringer Umsatz, Risiken untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung) mit 20 Unterarten angebo- ten. Die Voraussetzungen für das Versicherungs- Marketing sind somit völlig anders als bei Konsum- und Verbrauchsgütern und außerdem auch andere als bei Dienstleistungen anderer Art. (Bankmarketing, Bauspar- marketing) So zeichnet sich der Bereich Versicherung z.B. gegenüber den anderen Bereichen des Finanzdienstleistungssektors durch einen vergleichsweise noch höheren Grad der Abstraktheit des Dienstleistungsangebots aus. Ursächlich hierfür ist u. a., dass es sich bei Abschluß eines Versicherungsvertrags letztlich um die Befriedigung eines nur eventuell auftretenden Bedürfnisses handelt. Hinzu kommt der institutionelle Rahmen, in dem sich das Versicherungsmarketing bewegen kann: der Staat nimmt durch Gesetze und Verordnungen Einfluß auf die Versicherungs- wirtschaft, die von der Versicherungs wirtschaft selbst gegründeten Verbände und sonstigen Einrichtungen setzen den einzelbetrieblichen Marketingmaßnahmen Daten und Grenzen. Beide zusammen begründen einen eingeschränkten marketingpolitischen Spielraum. Als Träger dieser Marktordnung fungieren Staat, Aufsichtsbehörde, Versicherungsverbände sowie in zunehmendem Maße Verbraucherverbände. Direkten Einfluß auf die Versicherungswirt- schaft nimmt der Staat durch unterschiedlichste Gesetze (bis hin zur Steuergesetzgebung). Das auf die Marktordnung Einfluß nehmende Instrumentarium des Bundesauf- sichtsamtes für das Versicherungswesen betrifft Gebiete wie das Konzessionsprinzip, die Genehmigung der Geschäftspläne, und deren Änderung, womit Marktzugang, Prämien, Versicherungsbedingungen und Wettbewerbsintensität geregelt werden. Ferner nehmen die Versicherungsverbände Einfluß auf das Marktgeschehen, indem sie Versi- cherungsbedingungen und Tarifierungsgrundsätze ausarbeiten sowie Mindestprä- miensätze bestimmen. Aufsichtsrechtliche Vorgaben schränken somit die Marketing- aktivitäten in der Versicherungswirtschaft deutlich ein. Der Faktor „unveränderliche Eigenschaft der Dienstleistung Versicherungsschutz“ erfordert eine spezifische Ausrichtung der Marketingmaßnahmen. Durch den vorgegebenen Aktionsrahmen wurde aus dem aus der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre bekannten Instrumentenkatalo- gen ein „versicherungsspezifisches Instrumentarium“ abgeleitet. Weil Produkt- und Programmpolitik so stark reglementiert werden und wegen der leichten Imitierbarkeit seitens der Konkurrenten auch kaum dazu geeignet sind, strate- ische Erfolgspositionen aufzubauen, ommt im Versicherungsmarketing v. a. der Vertriebspolitik (Versicherungsvertrieb) ein besonders hoher Stellenwert zu. Produktpolitisch ist lediglich die Risikobündelung, die Zusammenfassung von Versiehe- rungszweigen verschiedener Art für gleiche Versicherungszweige oder -Subjekte von Bedeutung. Verwandte Versicherungszweige, wie z.B. Feuer-, Einbruchdiebstahl- und Glasvcrsichcrung, werden für bestimmte Risiken - z. B. Hausrat - gebündelt oder gar in einem besonderen Tarif kombiniert (Packa- ging). Diese in zunehmender Tendenz angebotenen Versicherungspakete decken keine neuen Risiken ab, sondern fassen lediglich in einer neuen Versicherungsform mehrere bereits bekannte und durch Haupt- oder Ne- bcnversichcrungszweige abzudeckende Risiken zusammen. Dabei wird versucht, den Deckungsumfang derartiger Policebündel aus Marketinggesichtspunkten so weit wie möglich zu ziehen, so dass z.B. alle für den Privatmann erforderlichen Versicherungen inkl. Auto-, Kranken- und Lebensversicherung in einer Police zusammengefaßt werden. Der Versuch, Kunden Paketdeckungen anzubieten, spielt nicht nur im privaten Bereich, sondern auch in der Versicherung industrieller RisikenundinderLandwirtschaft eine besondere Rolle. Die marketingpolitischen Vorteile (für Kunden und Außendienst) einer Risikobündelung werden durch versicherungstechnische und verwaltungsmäßige Schwierigkeiten überlagert. Diese ergeben sich aus unterschiedlicher Versicherungsdauer, verschieden starker Fluktuation der einzelnen Risiken, Schwierigkeiten bei der Prämien- und Kostenverteilung, der Schadensregulierung usw. Obgleich der Wettbewerb unter den Versicherungsgesellschaften eine Risikobündelung erzwingt, erfordern betriebswirtschaftliche und versicherungstechnische Probleme, die Zusammenfassungstendenzen auf ein vertretbares Maß zu beschränken. Auch preispolitisch besteht im Versicherungsmarketing wegen der amtlichen Versicherungsaufsicht und der damit verbundenen langwierigen Genehmigungsprozesse wenig taktischer Spielraum. Um so wichtiger wird die Entwicklung eines günstigen Preisimages im Wege der preispolitischen Positionierung. Die durch die vielfältigen Leistungskomponenten und -Varianten bedingte Intransparenz läßt Preisvergleiche nur schwer zu und vermindert damit den Preiswettbewerb. Bedeutsamer wird deshalb der Kommunikationswettbewerb, der inhaltlich v. a. auf emotionale Imagekomponenten, die Vertrauenswürdigkeit, Größe oder Kundennähe und Individualität ausgerichtet ist und medial insb. durch personal selling, also persönliche Kommunikation, auch in Form des Telefon-Marketing betrieben wird. PR-Maßnahmen werden angesichts wiederholt aufkeimender Kritik an Geschäfts- und v.a. Preis- und Konditionsgebaren immer wichtiger.
Literatur: Delisle, E., Marketing in der Versicherungswirtschaft, 2. Aufl., Karlsruhe 1981. Kurten- back, W. W., Versicherungsmarketing, Frankfurt a.M. 1981. Müller-Lutz,H.-L., Die verschiedenen Versicherungszweige, 2. Aufl., Wiesbaden 1978. Peick, H., Kooperation zwischen Banken und Versicherungen, Wiesbaden 1978. Puschmann, K. , Praxis des Versicherungs-Marketing, Karlsruhe 1986.
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