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Österreichische Aktiengesellschaft (AG)


1. Definition, Rechtsnatur Die AG ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschafter mit Einlagen auf das in   Aktien zerlegte Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (§ 1 öAktG). Sie kann zu jedem erlaubten wirtschaftlichen oder ideellen Zweck gegründet werden. Einige Unternehmen (zB Hypothekenbanken, Beteiligungsfondsgesellschaften und Pensionskassen) sind zwingend in Form der AG zu errichten. Genau wie die   GmbH ist die AG eine juristische Person mit selbständigem Vermögen und eigenen Rechten und Pflichten. Als Vereinigung einer grossen Zahl weitgehend anonymer und passiver Gesellschafter (Aktionäre), die allein an einer Finanziellen Beteiligung zu Anlagezwecken interessiert sind und sich dem Unternehmen ansonsten nicht weiter verbunden fühlen, stellt sie den Prototyp einer Kapitalgesellschaft dar. Die AG gehört zur Gruppe der   Unternehmen kraft Rechtsform (§ 2 öUGB), dh sie unterliegt unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit stets den Bestimmungen des öUGB. Darüber hinaus ist sie als einzige Gesellschaftsform börsefähig (siehe unten
4. Börsegang).
2. Gründung Die Gründung der AG ist zum Schutz zukünftiger Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger stark formalisiert. Für die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften sind die an der Errichtung beteiligten Personen verstärkt verantwortlich (§§ 39 ff öAktG). Zunächst müssen sich die Gesellschafter auf eine Satzung einigen, die notariell zu beurkunden ist (§ 16 öAktG). Daraufhin haben sie die   Aktien der Gesellschaft zu übernehmen und Aufsichtsrat und Abschlussprüfer zu ernennen. Aufgabe des Aufsichtsrates wiederum ist es, den ersten Vorstand der AG zu bestellen (§ 23 öAktG). Im Anschluss an die Erstattung eines schriftlichen Berichts über den Gründungshergang und Prüfung der Gründungsschritte durch die neuen Organe der AG sowie unabhängige Gründungsprüfer (§ 25 öAktG) sind die steuerliche Unbedenklichkeitserklärung des Finanzamtes (Nachweis der Entrichtung der   Kapitalverkehrsteuer) sowie allfällige sonstige behördliche Genehmigungen einzuholen und die mit den Aktienpaketen übernommenen Einlageverpflichtungen im gesetzlich vorgesehenen Ausmass zu erfüllen (§ 28a öAktG). Est das geschehen, kann die AG schliesslich zum  Firmenbuch angemeldet werden. Von einer Stufengründung (§ 30 öAktG) spricht man, wenn die Gründer anders als im Rahmen der Einheitsgründung nicht alle ausgegebenen   Aktien selbst zeichnen, sondern ein Teil der Kapitalanteile schon im Zeitpunkt der Gründung der Öffentlichkeit zur Übemahme angeboten wird. In Deutschland bereits 1965 ersatzlos gestrichen, ist diese Form der Errichtung auch in Österreich aufgrund ihrer Komplexität praktisch bedeutungslos. Die AG kann auch als Einpersonengesellschaft gegründet werden (Einmann-AG, § 2 Abs 2 öAktG). Die  Firma der AG kann einen Hinweis auf den Gegenstand des Unternehmens (Sachfirma) oder den Namen eines oder aller Gesellschafter enthalten (Personenfirma). Auch das Führen einer Fantasiefirma oder das Verwenden der Geschäftsbezeichnung ist möglich. Der Zusatz „Aktiengesellschaft” bzw „AG” ist zwingend in die Firma aufzunehmen.
3. Gesellschaftsvermögen, Haftung Als juristische Person ist die AG selbst Träger des Gesellschaftsvermögens. Für die im Laufe ihrer Tätigkeit entstandenen Verbindlichkeiten ist nur sie verantwortlich (§ 48 öAktG). Aufbringung und Erhaltung des AG-Kapitals kommt deshalb im Interesse potentieller Gläubiger und neuer Aktionäre grosse Bedeutung zu. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen können nicht abbedungen werden: Zu beginn ihrer Tätigkeit muss die AG über ein Mindestkapital von € 70.000 (Grundkapital) verfügen. Dieses wird durch Leistungen (Geld oder Sachwerte; § 20 öAktG) der Gesellschafter auf die von ihnen gemeinsam mit ihren   Aktien verbundene Einlageverpflichtung aufgebracht. Die im Rahmen der Geschäftstätigkeit erlangten Gewinne und Zuwendungen lassen das Gesellschaftsvermögen in der Folge weiter wachsen, Verluste und Aufwände führen zu entsprechender Verringerung. Solange die Gesellschaft besteht, können Gesellschafter ihre Einlagen nicht zurückfordern (Verbot der Einlagenrückgewähr), sie haben nur Anspruch auf Auszahlung ihres Anteils am Bilanzgewinn (§ 52 öAktG). Auch der Erwerb eigener   Aktien durch die AG selbst kommt praktisch einer Rückerstattung von Beitragsleistungen gleich und ist deshalb nur in engen Grenzen (§ 65 öAktG) möglich. Zu Nachschüssen können Aktionäre nicht verpflichtet werden. Jedoch besteht die Möglichkeit der Durchführung einer Kapitalerhöhung (§§ 149 ff öAktG) oder Kapitalherabsetzung (§§ 175 ff öAktG) durch Änderung des Gesellschaftsvertrags bzw Gesellschafterbeschluss. Das Grundkapital der AG ist in   Aktien zerlegt (§ 6 öAktG), die entweder als   Nennbetragsaktien (lautend auf einen bestimmten Nennbetrag, mindestens aber auf einen Euro) oder als nennwertlose Stückaktien (auf keinen Betrag lautend; der Anteil der   Aktie am Grundkapital ergibt sich aus der Höhe des Grundkapitals dividiert durch die Anzahl der ausgegebenen   Aktien, muss aber ebenso mindestens einen Euro betragen) ausgegeben werden können (§ 8 öAktG). Wichtigste Eigenschaft dieser standardisierten Kapitalanteile ist ihre leichte Übertragbarkeit, die einen schnellen Wechsel der grossteils anonym bleibenden Anleger ermöglicht.
4. Börsegang Nur wenn die   AG die strengen Voraussetzungen der §§ 66 öBörseG ff (Kriterien für die Zulassung zum amtlichen Handel, zum Handel im geregelten Freiverkehr und zum Handel am sog Dritten Markt) erfüllt, hat sie die Möglichkeit, ihre   Aktien an der Börse zu handeln. Wertpapiere nicht börsenotierter Gesellschaften werden über Kreditinstitute (Telefonhandel) bezogen werden.
5. Willensbildung, Geschäftsführung und Vertretung (die Organe der AG) Die Organisation der AG ist ausführlich gesetzlich geregelt. Zwingend vorgeschrieben sind dabei vier Organe: Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung und Abschlussprüfer. Der Vorstand wird durch beschluss des Aeichtsrates bestellt (§ 75 öAktG). Ausschliesslich ihm kommt die Befugnis zu, die Geschäfte der AG zu führen und diese nach aussen hin zu vertreten (Geschäftsfihrungs- und Vertretungsmonopol). Bei Ausübung seiner Tätigkeit ist er an keinerlei Weisungen gebunden und zur Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verpflichtet. Er unterliegt ausserdem einem strengen Konkurrenzverbot (§ 79 öAktG) und hat über die Angelegenheiten der AG Stillschweigen zu bewahren. Verletzt der Vorstand seine Obliegenheiten, ist er der Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet (§ 84 öAktG). Wurden mehrere Vorstandsmitglieder bestellt, so werden Entscheidungen mit der Mehrheit der Stimmen getroffen. Entsteht Stimmengleichheit, soll die Meinung des Vorstandsvorsitzenden den Ausschlag geben (Dirimierungsrecht, § 70 Abs 2 öAktG). Im Gesellschaftsvertrag kann jedoch anderes bestimmt werden. Der Aufsichtsrat (§ 86 öAktG) wird von der Hauptversammlung bestellt und setzt sich aus Kapital und Arbeitnehmervertretern zusammen (§ 110 öArbVG). Seine Aufgabe besteht in erster Linie darin, den Vorstand zu übervvachen (§ 95 öAktG; inklusive Prüfung und Billigung von Jahresabschluss und Gewinnverteilungsvorschlag, §§ 96, 125 öAktG). Darüber hinaus können bestimmte Geschäfte nur mit seiner Zustimmung getätigt werden (§ 95 Abs 5 öAktG: Beteiligungserwerb, Errichtung von Zweigmiederlassungen, Grossinvestitionen etc). Auch der Aufsichtsrat entscheidet nach dem Mehrheitsprinzip und ist der Gesellschaft gegenüber verantwortlich (§ 99 öAktG). Die Aktionäre der AG hingegen haben als rein finanziell beteiligte anonyme Gesellschafter nur geringe Mitspracherechte, sofern sie nicht grosse Aktienpakete halten und so auf Aufsichtsrat und Vorstand indirekt Einfluss nehmen können. Sie kommen einmal im Jahr im Rahmen der ordentlichen Hauptversammlung zusammen, um Einsicht in Jahresabschluss und Lagebericht zu nehmen und über die Gewinnverteilung und die Entlastung von Vorstrand und Aufsichtsrat zu bestimmen. Ausserdem sind ihnen die Grundlagenentscheidungen betreffend die Entwicklung der Gesellschaft (Satzungsänderungen, Umwandlung, Auflösung etc.) vorbehalten. In Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung werden sie jedoch nur auf ausdrücklichen Wunsch des Vorstands miteinbezogen (§ 103 Abs 2 öAktG). Das Stimmrecht der Gesellschafter in der Hauptversammlung bemisst sich nach dem Nennbetrag bzw der Stückzahl ihrer Anteile. Sehen Satzung oder Gesetz nichts anderes vor, genügt zur Beschlussfassung die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 113 öAktG), Satzungsänderungen erfordern hingegen eine Dreiviertelmehrheit. Pflicht der Abschlussprüfer ist es, Jahresabschluss und Lagebereicht auf ihre Gesetz- und Satzungsmässig,keit hin zu kontrollieren und einen entsprechenden Bestätigungsvermerk zu erteilen. Ihre Haftung richtet sich nach § 275 öUGB.
6. Rechte und Pflichten der Gesellschafter Sowohl natürliche als auch juristische Personen (GmbH, AG) und Gesamthandschaften (OG,   KG) können Gesellschafter der AG sein. Jeder Gesellschafter übernimmt bei Eintritt in die AG einen Teil der ausgegebenen  Aktien und muss dafür einen entsprechenden Beitrag zum Gesellschaftsvermögen leisten (§ 49 öAktG). Im Gegenzug erhält er eine Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der  Kapitalgesellschaft (Bilanzgewinnanspruch, § 52 öAktG) und ein der Höhe seines Anteils entsprechendes Stimmrecht im Rahmen der Hauptversammlung. Teilhabergruppen, die 5% des Stammkapitals auf sich vereinigen, geniessen verstärkt Mitspracherechte (Minderheitenrechte: Fähigkeit zur Einberufung einer Hauptversammlung aus wichtigem Grund, Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft gegenüber Aktionären, Gründern, Geschäftsführern, Einleiten einer Sonderprüfung des Jahresabschlusses etc.). Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften die Gesellschafter grundsätzlich nicht, nur unter besonderen Umständen soll ein Durchgriff auf ihr Privatvermögen möglich sein (etwa bei qualifizierter Unterkapitalisierung; umstritten). Zur Leistung ausständiger Einlagen anderer Teilhaber können Aktionäre hingegen anders als   GmbH-Gesellschafter nicht verpflichtet werden (keine Ausfallshaftung). Kommen GmbH-Mitglieder ihren Verpflichtungen nicht nach, werden sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen (Kaduzierungsverfahren, §§ 58 ff öAktG).
7. Rechnungslegung Neben den allgemeinen Vorschriften der §§ 189 ff öUGB (doppelte Buchführung, Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung) bestehen für AG (und dabei insbesondere für mittelgrosse und grosse AG im Sinne des § 221 öUGB) zum Schutz von Anlegern und Gläubigern zusätzliche „ergänzende Regelungen” betreffend die Rechnungslegung (§§ 221 ff öUGB: Anhang zu Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, Lagebericht, Abschlussprüfung, Offenlegung des Jahresabschlusses).
8. Beendigung der Gesellschaft (Liquidation) Nach Ablauf der vereinbarten Zeit, durch Beschluss der Gesellschafter, bei Nichtigerklärung der Gesellschaft oder Konkurseröffnung über das eigene Vermögen löst sich die Gesellschaft auf (§§ 203 ff öAktG) und tritt in das Stadium der Liquidation. Erst nach Beendigung der laufenden Geschäfte, Verwertung des Gesellschaftsvermögens und Aufteilung des Erlöses unter den Gesellschaftern ist sie tatsächlich beendet. Daneben verändern auch   Verschmelzung,  Umwandlung und   Spaltung die Gestalt der AG.
9. Anwendungsbereich, Bedeutung in Österreich Die Gesellschaftsform der AG eignet sich besonders für Grossunternehmen mit hohem Kapitalbedarf. Über die Ausgabe der leicht übertragbaren   Aktien kann schnell und einfach eine Vielzahl von Anlegern gewonnen werden. Die klassische Form der AG, die Publikums-AG, mit mehreren hunderttausend Aktionären, gibt es in Österreich nicht. Hier überwiegt der Typus der Familien-AG mit nur wenigen Gesellschaftern. Daneben kommt die AG vor allem als Tochtergesellschaft eines anderen Unterneh-mens oder Mitglied in einem Unternehmensverbund (Konzern) zum Einsatz. Mit Stand 1.7.2006 waren in Österreich rund 2000 AG im Firmenbuch eingetragen. Nur ca. 10% davon sind börsenotiert.

Literatur: Doralt/Nowotny/Kalss (Hrsg), Kommentar zum Aktiengesetz, Linde Verlag (2003); Eiselsberg, Maximilian (Hrsg), AktG, 2. Auflage, NWV (2004); Havranek/Heine/Prochaska, Die Aktiengesellschaft. Mustersammlung für die Praxis, Verlag LexisNexis ARD Orac (2004); Jabornegg/Strasser (Hrsg), Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage, Manz Verlag (ab 2001); Krejci, Heinz, Gesellschaftsrecht, Band II: Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereine, Privatstiftungen, Manz Verlag (2006); Mader, Peter, Kapitalgesellschaften, 5. Auflage, Orac-Rechtsskriptum, Verlag LexisNexis ARD Orac (2006); Nowotny, Georg, Gesellschaftsrecht, Verlag Österreich (2005) Internetadressen: Wiener Börsehttp://www.wienerboerse.at; Österreichische  Finanzmarktaufsicht — http://www.fma.gv.at  

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